Politiker aus dem Landkreis haben bei niedersächsischer Landtagswahl sichere Listenplätze. Der große Einfluss in Hannover bleibt gewahrt.

Lüneburg/Winsen/Stade. Die meisten Wahlberechtigten im Landkreis Lüneburg dürften am 20. Januar, dem Tag der niedersächsischen Landtagswahl, tatsächlich drei Kreuze machen. Mit dem dritten allerdings entscheiden sie nicht über den künftigen politischen Kurs in Hannover, sondern über eine Frage von eher regionalem Interesse: feste Elbquerung oder Fähre? Brücke bauen oder nicht? Der 20. Januar ist in Lüneburg auch der Tag der ersten Bürgerbefragung in der Geschichte des Landkreises.

Der Kreistag hatte beschlossen, dieses Stimmungsbild aus der Bevölkerung einzuholen. Es geht um die Anbindung des nördlich der Elbe gelegenen Amtes Neuhaus, eines echten Stücks Ex-DDR auf niedersächsischem Terrain, an den großen Rest des Landkreises auf der anderen Seite des Stroms. Das 237 Quadratkilometer große Gebiet, ein Zusammenschluss aus acht ehemals selbstständigen Gemeinden, wurde am 30. Juni 1993 auf Grundlage eines zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen geschlossenen Staatsvertrags wieder an den Landkreis Lüneburg übergeben, zu dem es bereits bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gehört hatte. Die Briten hatten es dann freiwillig an die sowjetische Besatzungszone abgetreten - wegen seiner von Süden her schlechten Erreichbarkeit. An dem Zustand, der den Neuhäusern im Endeffekt die DDR-Diktatur bescherte, hat sich bis heute nichts geändert. Die nächsten Brücken sind 31 beziehungsweise 39 Kilometer entfernt. Wer in Luftlinie reisen möchte, muss Fähre fahren.

Während Naturschützer vor allem mit Blick auf das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalauen am Status quo festhalten wollen, scheiden sich die Geister noch aus einem anderen Grund an den Brückenplänen - an den mit 45 Millionen Euro veranschlagten Baukosten. Bund, Land und der Landkreisnachbar Lüchow-Dannenberg wollen das Projekt fördern, auf Lüneburg käme dennoch ein Eigenanteil von nach heutigem Stand 9,25 Millionen Euro zu. Die Sorge ist groß, dass die Baukosten explodieren und den Eigenanteil in die Höhe treiben könnten.

Am Elbufer sind Befürworter wie Gegner eines Brückenschlags auf Stimmenfang. Die einen organisieren in einigen Tagen eine Lichterkette, die anderen haben unlängst kostenlose Fährpassagen spendiert. Im großen Landtagswahlkampf spielt das Thema dagegen so gut wie keine Rolle: Weil es in erster Linie eine kommunale Angelegenheit ist. Und weil die hier verorteten Kandidaten das große Ganze in stärkerem Maße in ihren Fokus rücken als in anderen Regionen: Kaum irgendwo ist die Konzentration von Spitzenpolitikern so hoch wie in den beiden Wahlkreisen 49 (Lüneburg) und 48 (Elbe). Die Region hat eine verhältnismäßig große Hausmacht in Hannover - zumindest im Vergleich mit anderen Landkreisen im Hamburger Umland, das als Ganzes nicht gerade im Mittelpunkt der Landespolitik steht: Wie berichtet, leben in den unmittelbar mit der Hansestadt benachbarten Gebieten nur sieben Prozent aller in Niedersachsen Wahlberechtigten. Bei der vergangenen Wahl im Jahr 2008 gewann die CDU alle Direktmandate im Umland.

Der Lüneburger Einfluss dürfte nach dem 20. Januar nicht kleiner werden. Da kandidiert etwa Bernd Althusmann, CDU, zurzeit amtierender Kultusminister. Er hat den Wahlkreis 49 bei der vergangenen Wahl gewonnen, sein Mandat aber mit seinem Eintritt in die Landesregierung zurückgegeben. Nun tritt der Pädagoge erneut an, abgesichert auf dem vierten Platz der Landesliste. Ebenso sicher dürfte der Wiedereinzug seines SPD-Widerparts in den Landtag sein: Die Juristin Andrea Schröder-Ehlers, unter anderem Mitglied im Landesvorstand der niedersächsischen Sozialdemokraten, hat mit dem zweiten Listenplatz ebenfalls ihr Ticket nach Hannover schon jetzt so gut wie in der Tasche. Und im Wahlkreis 48 (Elbe) kandidiert die Pädagogin Miriam Staudte, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, auf dem gleichfalls aller Voraussicht nach sicheren dritten Listenplatz ihrer Partei.

Zudem ist es ein in sozialdemokratischen Kreisen offenes Geheimnis, dass Lüneburgs ehrgeiziger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) im Falle eines Regierungswechsels nach einem Amt im Innenministerium in Hannover strebt. Ein weiterer bekannter Kandidat aus dem Lüneburger Raum, der Jura-Professor und frühere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), wäre dagegen mit seinem 26. Listenplatz selbst dann noch chancenlos, sollten die Liberalen ihr 2008er-Ergebnis von 8,2 Prozent halten oder gar deutlich steigern können - worauf die aktuellen Umfragen nicht gerade hindeuten.

Bei großen Infrastrukturprojekten herrscht bei CDU und SPD Einigkeit

Ob der Lüneburger Einfluss hilft, Projekte in der Region wie den einmütig gewünschten Schleusenneubau bei Scharnebeck oder den Weiterbau der Autobahn 39, Konsens zwischen CDU und SPD, zu verwirklichen, ist dennoch fraglich. Ihre Realisierung hängt maßgeblich von der Finanzierung durch den Bund ab.

So denn aber einflussreiche Personen entscheidend für die Bedeutung einer Region für die Landespolitik sein sollten, fiele der Landkreis Harburg insbesondere künftig deutlich hinter seinem östlichen Nachbarn Lüneburg zurück. Mit dem Speditionskaufmann Norbert Böhlke, Mitglied im CDU-Fraktionsvorstand, und Heiner Schönecke kandidieren in den Wahlkreisen 51 (Seevetal) und 52 (Buchholz) zwar zwei christdemokratische Urgesteine und langjährige Abgeordnete. Böhlke steht auf dem aussichtsreichen Listenplatz 17; der Landwirt und Kaufmann Schönecke setzt auf ein direktes Mandat.

Alle weiteren Kandidaten der großen Parteien sind jedoch Newcomer. Denn in den Reihen der Sozialdemokraten treten mit den Lehrerinnen Brigitte Somfleth (Seevetal) und Silva Seeler (Buchholz) zwei langjährige Parlamentarierinnen nicht wieder an. Die drei Harburger SPD-Kandidaten Markus Beecken (Krankenpfleger, Wahlkreis 50), Udo Heitmann (Polizeikommissar, Wahlkreis 52) und Tobias Handtke (Einzelhandelskaufmann, Wahlkreis 51) haben mit den Listenplätzen 76, 80 und 35 gar keine beziehungsweise nicht allzu große Chancen, ohne Direktmandat in den Landtag zu kommen.

Auch der Listenplatz 67 des CDU-Kandidaten Andre Bock (Wahlkreis 50, Winsen) - der Verwaltungsfachwirt ist ebenfalls ein Neuling - ist nicht aussichtsreich. André Wiese, der 2008 hier direkt gewonnen hatte, schied 2011 nach seiner Wahl zum Winsener Bürgermeister wieder aus dem Landesparlament aus. Die Themen der Harburger Kandidaten unterstreichen die Nähe zu Hamburg: S-Bahn-Bau bis nach Buchholz und Tostedt, Einigung mit Hamburg über die Grundwasserentnahme in der Nordheide, die Zusammenarbeit mit der Hansestadt im Allgemeinen.

Im Landkreis Stade steht thematisch vor allem der Bau der Autobahnen 20 und 26 auf der Agenda. Im Wahlkreis 55 (Buxtehude) tritt für die CDU erneut der Agraringenieur und örtliche Kreisjägermeister Helmut Dammann-Tamke an. Sein Herausforderer aufseiten der SPD ist der Sparkassenbetriebswirt Stefan Schimkatis an. Beide haben mit Platz 64 beziehungsweise 84 auf den Landeslisten ihrer Parteien nahezu keine Chance, ohne direktes Mandat in den Landtag zu kommen. Im Wahlkreis 56 (Stade) sind die Kandidaten der beiden großen Parteien die Landtagsabgeordneten Kai Seefried (CDU, Tischlermeister und Betriebswirt) und Petra Tiemann (SPD, medizinisch-technische Assistentin). Mit Platz 29 und 6 sind beide relativ gut über die Landeslisten abgesichert.