Im Unfall-Atlas schneidet Schleswig-Holstein am schlechtesten ab. Risiken auch in Hamburg und Bremen überdurchschnittlich hoch.

Hamburg. Das Risiko, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden, ist für Kinder in Norddeutschland deutlich höher als für Altersgenossen in anderen Teilen der Republik. Das zeigt der am Montag von der Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlichte Kinderunfall-Atlas.

Für die Studie waren Unfälle aus den Jahren 2006 bis 2010 ausgewertet worden, bei denen Kinder bis einschließlich 14 Jahren getötet oder schwer verletzt worden waren. Im Vergleich von 15 deutschen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern gelten Hamburg, Hannover und Bremen als gefährlichste Orte.

Demnach kamen in Hamburg von 1000 Kindern statistisch 3,18 bei Unfällen auf dem Rad, zu Fuß oder im Auto zu Schaden. In Hannover und Bremen waren es statistisch sogar 3,35. Leipzig hat mit statistisch 2,33 verunglückten Kindern die niedrigste Quote bundesweit, gefolgt von München, Frankfurt am Main, Stuttgart und Berlin. Ein dunkelroter Fleck auf der Landkarte der Statistiker ist auch das schleswig-holsteinische Neumünster: Unter den Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern ist es der Ort, an dem Kinder im Straßenverkehr am stärksten gefährdet sind. Insgesamt wurden im Vergleich aller 16 Bundesländer in Schleswig-Holstein - noch vor Bremen und dem Saarland - die meisten verunglückten Kinder je 100.000 Einwohner in der untersuchten Altersgruppe verzeichnet.

Die Autoren der Studie weisen aber nicht nur auf große Unterschiede zwischen Norden und Süden sowie städtischem und ländlichem Gebiet hin, sondern auch auf unterschiedliche Zahlen zwischen den untersuchten Unfallarten. Während in Neumünster vor allem Kinder mit dem Fahrrad verunglücken, sind es in Hannover überwiegend Kinde, die als Beifahrer im Auto in Unfälle verwickelt sind.

Ursachenforschung, so bemängeln Kritiker, betrieben die Autoren nicht. Deshalb gebe die Studie auch keinen Aufschluss darüber, mit welchem Verkehrsmittel Kinder in den Städten und Regionen unterwegs seien. Sollten sie in Neumünster vor allem Fahrrad fahren und in Hannover mit dem Auto in die Schule oder den Sportverein gebracht werden, würde dies die Diskrepanz erklären.

Während Kinder als Fußgänger besonders häufig in Nordrhein-Westfalen und in großen Großstädten verunglücken, sind sie als Radfahrer in Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein, Niedersachen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg besonders gefährdet. Als Mitfahrer in Pkw verunglücken die meisten Kinder in den ländlichen Regionen Bayerns und Ostdeutschlands.

Trotz dieser Anhaltspunkte, die die Verteilung der Unfalldaten erklären könnten, "gibt es riesige Unterschiede", sagte Nicola Neumann-Opitz, eine der Autorinnen der Studie. Wenn das Statistische Bundesamt die Unfallrisiken der Bundesländer vergleiche, gebe das wenige Anhaltspunkte für Verbesserungen, weil Stadtstaaten und Flächenländer miteinander verglichen würden. Dieser Atlas gebe den Kommunen jetzt aber die Möglichkeit, sich mit tatsächlich vergleichbaren Gemeinden, Städten und Kreisen zu messen.

Diesem Argument folgt auch der Geschäftsführer der Verkehrswacht Hamburg, Hans-Jürgen Vogt. "Weil die Studie keine Ursachenforschung betreibt, können wir nur auf diejenigen zugehen, die gut abgeschnitten haben und von ihnen lernen", sagte Vogt. Faktoren wie Wetter und größerer Stress im Verkehr in Ballungsgebieten würden demnach nicht berücksichtigt. Vogt betonte, wie wichtig es sei, die Vorsicht im Verkehr vorzuleben. Hamburger Elternlotsen, die freiwillig vor Schulen Dienst tun, würden immer wieder berichten, wie andere Eltern beispielsweise Radwege zuparkten und sich bei Ermahnung wenig einsichtig zeigten. Dann könne jedoch auch die Verkehrserziehung der Verkehrswachten in den Schulen nicht mehr greifen, sagte Vogt, denn "Verkehrserziehung beginnt mit Taten, nicht mit Worten".

Auch die Landesverkehrswacht Niedersachsen hat nach Veröffentlichung der Ergebnisse an Kommunen und Eltern appelliert, mehr für die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr zu tun. Eltern müssten Schulwege üben und ihre Kinder nicht zu früh alleine mit dem Fahrrad losschicken, sagte Geschäftsführerin Cornelia Zieseniß.

Aufgabe der Städte sei es, Unfallschwerpunkte zu entschärfen und sicherere Radwege und Fußgängerüberwege zu schaffen. Ein generelles Problem sei der Bewegungsmangel von Kindern, der ihnen ein sicheres Beherrschen des Radfahrens und die Orientierung im Verkehr erschwere.

Eines der positivsten Ergebnisse der Studie ist, dass die Unfälle von Kindern im Bundesdurchschnitt rückläufig sind. Während 2006 noch 32.409 Kinder als Fußgänger, Radfahrer oder Mitfahrer im Pkw verunglückten, kamen 2010 rund 6000 Kinder weniger zu Schaden. Und so haben Bremen, Hamburg und Hannover zwar die höchsten Unfallzahlen für Radfahrer, doch die Zahlen sind insgesamt rückläufig.

Insgesamt ist die Verkehrsteilnahme für Kinder in den vergangenen vier Jahren also sicherer geworden. Doch immer noch gibt es - wie beim Radverkehr in Hamburg - noch Gefahrenbereiche, denen die Städte und Kommunen durch weitere Sicherheitsmaßnahmen besondere Aufmerksamkeit schenken müssten, so die Verkehrswacht.