Der Raumfahrtstandort Trauen wird nach Jahrzehnten nun wiederbelebt. Wirtschaftsminister Bode bewilligt Förderung.

Faßberg. Der Weg zum "Prüfstand D" führt tief in den Wald, der hier besonders dicht wirkt. Eine Wand aus Kiefern und Birken säumt die holprige Betonpiste, aus deren Fugen Unkraut sprießt. Links und rechts machen betagte Ampeln, Alarmsirenen und Schlagbäume inmitten all des Grüns einen sonderbar deplatzierten Eindruck. Sie haben längst Patina angesetzt. Rost, Moos, mitunter beides.

Im Raketenforschungszentrum Trauen bei Faßberg (Landkreis Celle) scheint seit Jahrzehnten die Zeit stehen geblieben zu sein. "Ja, das ist unser Dornröschen-Schloss", sagt Prof. Joachim Block vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Standortleiter, nicht ohne Augenzwinkern. "Es ist dichtgemacht worden, aber nicht gestorben."

Nun soll Dornröschen, um in Blocks märchenhaftem Bild zu bleiben, wach geküsst werden. Der erste Schritt ist getan: Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) hat dem DLR-Vorstandsvorsitzenden Prof. Johann-Dietrich Wörner gestern einen Bewilligungsbescheid über eine 2,7-Millionen-Euro-Förderung durch das Land überreicht. 6,5 Millionen Euro investiert das DLR selbst, beide rechnen mit weiteren Investitionen aus der Industrie. Wörner: "Wir haben das Gelände über viele Jahre gehalten. Jetzt wollen wir hier wieder Versuche starten." Er spricht von einem "wichtigen Schritt nach vorn". Trauen hat seine große Zeit zwar hinter sich, nun aber auch wieder eine Zukunft.

Seit Mitte der 30er-Jahre hatte der Raumfahrtpionier Eugen Sänger (1905-1964) in der Südheide gewirkt. In den späten 60er- und frühen 70er-Jahren erprobten Wissenschaftler am selben Ort die dritte Stufe für die sogenannte Europa-Rakete. Sie wurde in "Prüfstand D" getestet, diesem Koloss aus Beton mit den Ausmaßen eines fünfstöckigen Hauses. Doch Europas erster Versuch, eine eigene dreistufige Trägerrakete zu bauen, war ein glückloser. Die erste Stufe war eine britische "Blue Streak", die zweite eine französische "Coralie", die dritte eine deutsche Neuentwicklung namens "Astris".

"Die Schnittstellen waren störanfällig, die unteren Stufen haben den oberen nicht mitgeteilt, dass sie zünden müssen", sagt Joachim Block. Nach zahlreichen Fehlstarts wurde die Entwicklung 1973 eingestellt. Block: "Das war das Signal, dass dem Standort der Atem ausgehen würde." 1978 gingen die Lichter aus. Nur eine Handvoll Mitarbeiter blieb auf dem mit 81 Hektar flächenmäßig größten DLR-Standort.

Der Betonklotz "Prüfstand D" wird, so Joachim Block, künftig nur noch "museale Bedeutung" haben. Andere Einrichtungen wie der sogenannte Viererblock, eine bunkerähnliche Anlage, werden hingegen in jüngster Zeit wieder von DLR-Forschern anderer Standorte genutzt. Sie testen dort Hybrid-Raketentriebwerke. Hybrid deshalb, weil eine Kombination fester und flüssiger Brennstoffe zum Einsatz kommt. Das soll vergleichsweise günstig, sicher und umweltfreundlich sein. Also werden von Zeit zu Zeit die Bunkertore geöffnet, und dann schießt ein Feuerstrahl horizontal hinaus ins grüne Nichts.

"Wir können in diesem Gebiet Versuche durchführen, die wir anderenorts nicht durchführen könnten", sagt DLR-Vorstandschef Wörner. Dass für das abgeschiedene Areal seit jeher Betriebsgenehmigungen vorliegen, mag ein weiterer Grund dafür sein, dass der Standort niemals aufgegeben worden ist.

Das DLR selbst will nun eine neue Forschungseinrichtung bauen, in der an sogenannten kryogenen Treibstoffen - auf bis zu minus 200 Grad Celsius heruntergekühlte Gase - geforscht werden soll. Wie fließen sie, wann und in welcher Weise schwappen sie hin und her? Das werden Fragestellungen der Zukunft sein.

Aber die DLR-Forscher sollen nicht unter sich bleiben. "Ziel ist es auch, Trauen für die Ansiedlung von weiteren Industriebetrieben im Umfeld der Luft- und Raumfahrttechnik interessant zu machen und damit einen Beitrag zur strukturellen Stärkung von Gemeinde und Region zu leisten", sagt Wirtschaftsminister Bode.

Das zum EADS-Konzern gehörende Unternehmen Astrium - es gibt eine Million Euro Förderung dazu - ist bereits seit Jahren in Trauen aktiv. Unter anderem wird am Standort ein U-Boot-Rettungssystem entwickelt, produziert und gewartet. Auch die Höhenforschungsraketen Texus und Maxus, die wissenschaftliche Experimente in der Schwerelosigkeit ermöglichen, werden in Trauen entwickelt, hergestellt und auf ihre Einsätze vorbereitet.

In einem allerersten Schritt will das DLR das Forschungsgelände jetzt "ertüchtigen": Neue Straßen, neue Datenleitungen und nicht zuletzt moderne Sicherheitseinrichtungen müssen her. Die Patina wird verschwinden.