Nach der Niedersachsen-Wahl kann die CDU wohl nur weiterregieren, wenn die FDP stark genug ist. Grüne kämpfen für Machtwechsel

Celle. Jede Mittelstadt in Niedersachsen, die was auf sich hält, hat in den vergangenen Jahrzehnten ein repräsentatives Tagungszentrum gebaut. Und so beriet am Wochenende in Celle am Rand der historischen Altstadt die CDU über den richtigen Weg zum Machterhalt bei der Landtagswahl am 20. Januar, während die Grünen im nicht weniger malerischen Stade ihre Positionen formulierten, mit denen sie den Machtwechsel schaffen wollen.

Die Aufmerksamkeit galt vor allem dem Parteitag der aktuellen Regierungspartei CDU, schließlich kam Kanzlerin Angela Merkel, um Mut zuzusprechen. Für die Regierungsbildung in Niedersachsen nach dem Wahltag 20. Januar aber kommt es weniger auf die Stimmung an der CDU-Basis an, sondern vor allem auf die Grünen.

Ministerpräsident David McAllister (CDU) weiß um die Schwäche seines Regierungspartners FDP, der in den Umfragen regelmäßig wie die Piratenpartei und die Linkspartei um die fünf Prozent pendelt. Weswegen er in Celle nach zehn Jahren schwarz-gelber Koalition ein defensives Wahlziel proklamierte: "Gegen die CDU darf es keine Regierungsbildung geben." Das aber kann nur gelingen, wenn die CDU die SPD auf Abstand hält und die Grünen deutlich hinter den bis zu 15 Prozent zurückbleiben, die sie nach den aktuellen Umfragen erwarten dürfen.

Aber was nun ein Bündnis mit den Grünen angeht, so hat es in Celle und Stade am Wochenende eindeutig entgegengesetzte Signale gegeben. Die CDU etwa will Fracking nur in Wasserschutzgebieten verbieten, die Grünen dagegen sind generell und strikt dagegen, Erdgasvorkommen mit gefährlichen Chemikalien zu fördern. Noch schwerer aber wiegt, dass die niedersächsischen Grünen sich darauf festgelegt haben, dass Gorleben aus einer künftigen Endlagersuche in Deutschland ausscheiden muss. Der Widerstand gegen das Endlager und die Castortransporte sind ein Teil der grünen Identität - und die Sozialdemokraten auf Landesebene sind der gleichen Meinung.

Natürlich gibt es auch bei den Grünen nach 18 Jahren Opposition eine Sehnsucht nach Machtbeteiligung, aber der Landesverband hat in Stade mit der Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes auch deutlich gemacht, dass er im Zweifel lieber linke Positionen pur vertritt, statt Kompromisse einzugehen. In Celle schwärmte zeitgleich CDU-Spitzenmann McAllister von den zu erwartenden segensreichen Wirkungen eines Baus der Küstenautobahn 20 und der Verlängerung der A 39 über Lüneburg hinaus Richtung Wolfsburg.

Hier klaffen auch die Ansichten von Grünen und SPD weit auseinander, aber das Beispiel Schleswig-Holstein zeigt, dass sich der Weg zur gemeinsamen Machtübernahme auch mit Formelkompromissen ebnen lässt.

Der Grünen-Landesvorsitzende Jan Haude hat in Stade zudem McAllister quasi den Stuhl vor die Tür gestellt: "Wir werden einen klaren Wechselwahlkampf führen, eine Koalition mit der CDU ist aktuell nicht vorstellbar." Das spiegelt auch die verhärteten Fronten im Landtag wider, wo sich CDU und FDP einerseits und SPD, Grüne und Linke andererseits seit Jahresbeginn regelrecht angiften, wenn es um den Fall Wulff geht. Die Oppositionsparteien versuchen, den Bogen zu schlagen von den Affären um den ehemaligen Bundespräsidenten und Ex-Ministerpräsidenten Christian Wulff zu dessen Nachfolger McAllister. CDU und FDP sind nervös, weil niemand einschätzen kann, ob an ihnen was hängen bleibt.

So war denn der CDU-Landesparteitag im Kongresszentrum Celle für McAllister eine gute Gelegenheit, wenigstens die eigenen Leute auf die neue Zeit nach Wulff einzuschwören. Der Wahlkampf ist ganz auf die Person McAllister zugeschnitten, die Christdemokraten versuchen es erstmals sogar mit Humor. Werbemittel sind Chips, die "Wahlmampf" heißen, und zu Dudelsackmusik feiert der Landesverband seinen "schottischen Häuptling". Der wiederum hat, nachdem Bundeskanzlerin Merkel zum Abschluss des Parteitages ihren Teil zur Mobilisierung beitragen hatte, die 66 000 CDU-Mitglieder in den Kampf geschickt: "Runter von der Bank, auf den Platz, Tore schießen, Tore schießen, Tore schießen." Als Spitzenkandidat für die Landtagswahl hat der Parteitag den 41-Jährigen in offener Abstimmung mit 100 Prozent gewählt, ihm als Landesvorsitzenden mit über 98 Prozent in geheimer Wahl noch einmal demonstrativ den Rücken gestärkt, die Partei wird kämpfen.

Bundeskanzlerin Merkel meinte es wohl als Kompliment, als sie in Celle dem Landesverband kopfschüttelnd bestätigte, die Liedzeile "sturmfest und erdverwachsen" in der Landeshymne sei für die Niedersachsen-CDU tatsächlich "mehr als Gesangskultur".