Die umstrittene Methode zur Schiefergas-Förderung alarmiert diePolitik. In Landkreisen südlich Hamburgs wächst die Sorge ums Trinkwasser.

Hannover. Zwei Firmen wollen in den niedersächsischen Landkreisen südlich Hamburgs im großen Stil nach Erdgas suchen. Dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zellerfeld liegen drei - wie es im Amtsdeutsch heißt - "Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen" vor. Sie beziehen sich auf eine Fläche von zusammen rund 2500 Quadratkilometern, die sich über Harburg, Lüneburg und Uelzen bis nach Lüchow-Dannenberg und in den Heidekreis erstreckt. Die betroffenen Landkreise haben nun Post vom LBEG bekommen. Sie sollen Stellungnahmen abgeben.

Kaum dass das Ansinnen bekannt geworden ist, kursiert in der Region ein Schreckgespenst namens Fracking. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, mithilfe dessen die Förderrate einer Erdgasbohrung erhöht werden kann. LBEG-Sprecher Andreas Beuge erklärt: "Das ist eine Technik, mit der Gesteine behandelt werden, um künstliche Fließwege zu erzeugen. Dabei werden in den Gesteinen durch Einpressen einer Frack-Flüssigkeit Risse erzeugt." Die Flüssigkeit bestehe überwiegend aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen.

Das Verfahren ruft Kritiker auf den Plan. Die Harburger Kreistagsabgeordnete Elisabeth Bischoff (Grüne) etwa sagt: "Die verwendeten Chemie-Cocktails würden unser kostbares Grundwasser in der Heide gefährden." Ähnliche Befürchtungen äußert Bernd Ebeling, der für die Grünen im Uelzener Stadtrat sitzt: "Fracking kann zu irreparablen Verunreinigungen im Grundwasser führen", meint er. Und Jens-Rainer Ahrens, SPD-Fraktionschef im Harburger Kreistag, spricht von einem "Anschlag auf Natur, Umwelt und gesunde Lebensverhältnisse".

Auch Bernhard Frosdorfer, Sprecher der Harburger Kreisverwaltung in Winsen, sagt: "Fracking an sich sehen wir schon kritisch." Allerdings stelle sich diese Frage noch gar nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt gehe es allein um die Suche nach Rohstoffen. Wie die in der Praxis aussehen könnte, stellt Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) in Hannover dar: "Zunächst wertet ein Unternehmen, das eine Aufsuchungserlaubnis hat, bestehende geologische Daten aus." Ein zweiter Schritt seien eigene geologische Voruntersuchungen.

Tatsache ist: Bevor eine Firma mit der Förderung beginnen kann, muss sie eine neue Lizenz beim LBEG beantragen. Für Fracking wäre eine dritte notwendig. In den betroffenen Landkreisen überwiegt dennoch schon jetzt die Ablehnung. "Wir werden in unserer Stellungnahme deutlich machen, welche Gebiete sich unseres Erachtens nicht eignen", sagt der Harburger Kreissprecher Frosdorfer und zählt beispielhaft Naturschutzgebiete, Straßen und Leitungstrassen, Gebiete von archäologischer Bedeutung und Wasserschutzgebiete auf. Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt sagt: "Von der Absicht, fast den gesamten Landkreis Lüneburg nach Erdöl und Erdgas zu erkunden, halte ich rundweg gesagt: gar nichts." Die Sicherheit des Trinkwassers habe Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen einer Firma.

Die Annahme, dass bei einer eventuellen Förderung eines Tages Fracking zum Einsatz kommen könnte, scheint nicht ganz unbegründet zu sein. Jüngst hat ExxonMobil beim LBEG eine Frack-Maßnahme für die Bohrung "Bötersen Z11" im Landkreis Rotenburg/Wümme beantragt. Das Genehmigungsverfahren läuft noch. Und Hartmut Pick vom WEG sagt: "Rund ein Drittel der Produktion aus Deutschland kommt heutzutage aus gefrackten Bohrungen. Das ist absolut state of the art." Die Methode sei notwendig, um an Lagerstätten zu gelangen, die sich mit konventionellen Bohrungen nicht erreichen lassen.

Das Fördervolumen in Niedersachsen ist seit einiger Zeit rückläufig - im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent allein in den ersten Monaten dieses Jahres, sagt Anne Neumann, Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Hannover. "Die Ressourcen gehen zur Neige." Die Zahl der Anträge, Erdgas zu suchen, sei hingegen gestiegen.

Unterdessen kritisieren Funktionsträger wie der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge die Informationspolitik des LBEG: "Das Schreiben wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet." In der Tat gibt sich die Behörde zugeknöpft - mit Rücksicht auf die Betriebsgeheimnisse der Unternehmen, wie LBEG-Sprecher Beuge sagt. Wer die Unternehmen sind, die jetzt den Norden Niedersachsens erkunden wollen, wird insofern nicht richtig deutlich. Das eine heißt "Blue Mountain Exploration", hat seinen Firmensitz in New York - und ist nicht mal in Branchenkreisen bekannt.