Fall Herbstprinz: Liebe, Mordversuch und Brandstiftung. Opfer wegen angeblicher Drohung gegen Ex-Geliebte verurteilt

Jork. Der Altländer Krimi um das Traditionslokal Herbstprinz in Jork hat neuen Zündstoff. Die gescheiterte Liebes- und Geschäftsbeziehung des Hamburger Gastronomenpaares Sandra T. und Andreas S. beschäftigt neben der Stader Justiz und Polizei auch den Bundesgerichtshof (BGH). Die BGH-Richter prüfen derzeit das Stader Verfahren im Herbstprinz-Prozess auf Rechtmäßigkeit.

Zu Liebe, Hass, Mordversuch, Sorgerechtsstreit, Kindesentführung, Insolvenz und zwei von Großfeuern vernichteten Baudenkmälern kommt nun eine neue Episode. Und wieder steht die einstige Herbstprinz-Wirtin Sandra T. im Blickpunkt des Geschehens. Diesmal saß die 35-Jährige aus Bergedorf nicht auf der Anklagebank wie im Prozess wegen versuchten Mordes an ihrem damaligen Lebenspartner, in dem sie als Drahtzieherin zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde.

Im neuen Verfahren vor der Strafabteilung des Amtsgerichts Stade war ihr Opfer, das das Mordkomplott im März 2011 schwer verletzt überlebte, angeklagt. Wegen "Bedrohung" verurteilte Amtsrichter Erik Paarmann den Herbstprinz-Pächter Andreas S. zu einer Geldstrafe von 150 Euro. Der 53-jährige Gastronom soll seiner Ex-Geliebten vor der Verhandlung wegen versuchten Mordes im Landgericht vor der Damentoilette aufgelauert und gesagt haben: "Du bist schneller tot, als du denken kannst." Auf der Treppe zum Schwurgerichtssaal habe er die Mutter des gemeinsamen Kindes bedroht. Das behaupten Sandra T. und ihre Schwester Andrea, die vorsorglich, "falls ihre Schwester bedroht wird", mit ihrem Handy Tonaufnahmen machte. Andreas S. bestreitet die Verbalattacke: "Ich spreche nicht mit meiner Mörderin." Er kündigte Widerspruch an.

Der Amtsrichter habe sein Urteil mit der Glaubwürdigkeit der beiden Frauen begründet, so Amtsgerichtsdirektor Willi Wirth. Die teilweise kaum verständlichen Tonmitschnitte, die trotz Verbots im Gericht gefertigt wurden, hätten "allein wohl keine Überzeugung des Gerichts erbringen können". Denn gerade der die Anklage auslösende Satz war auf dem Tondokument nicht hörbar. Die sich aus den Tonaufnahmen ergebenden Zusammenhänge bezeichnete Amtsrichter Paarmann zunächst als "schleierhaft". Ihm war zudem nicht erklärlich, warum Andrea T. nicht sofort das Wachpersonal informierte, als es dann zur Verbalattacke gekommen sein soll. Weil der heimlich gefertigte Tonmitschnitt technisch zu schlecht war, um die Bedrohung zu beweisen, beantragte Staatsanwältin Frouwa Drücke, zunächst die Tonspuren vom Landeskriminalamt analysieren zu lassen. Letztlich verzichtete der Amtsrichter darauf.

Anders als der Amtsrichter ging der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer, Matthias Bähre, am Tag des Geschehens sofort den Fakten nach. Er befragte den Wachmann, der unmittelbar vor Sandra T. auf der Treppe war. Dieser gab zu Protokoll, von einer Bedrohung nichts gehört oder gesehen zu haben.

Die Prozess-Zeche wird der Steuerzahler begleichen müssen, denn seit der Herbstprinz niederbrannte, ist die Einkommensquelle des Verurteilten versiegt. Er bezieht Arbeitslosengeld.

Noch immer tappt die Polizei bei der Aufklärung der Brände, die zwei Altländer Traditionslokale vernichteten und deren Eigentümerin auf dem Papier Sandra T. war, im Dunkeln. Beim Altländer Hof, der in der Nacht zum 25. Juli 2011 in Flammen aufging, als Sandra T. und ihre Komplizen für zwei Wochen aus der U-Haft auf freiem Fuß waren, ist die Brandursache bis heute ungeklärt. In der Brandruine des Restaurants Herbstprinz ermittelte die Polizei, dass Brandstifter das Feuer legten. Unter Verdacht sehen die Brandermittler auch Andreas S. und durchsuchten im Juli dessen Wohnhaus. Der Herbstprinz brannte auf den Tag genau ein Jahr nach der Mordattacke auf Andreas S., am 30. März 2012, nieder. Bislang gibt es dazu noch keine Ergebnisse, sagte Polizeisprecher Holger Heins dem Abendblatt.

Zudem untersucht der Bundesgerichtshof das Urteil in dem Herbstprinz-Verfahren, in dem es um versuchten Mord ging. Wirtin Sandra T. hatte mit ihrem heimlichen Geliebten, einem Koch, gegen ihren Ex, für den sie 2005 als Strohfrau das Herbstprinz-Anwesen und den Altländer Hof in Jork gekauft hatte, Pläne geschmiedet, ohne ihren Partner das Lokal weiterzuführen. Das Pärchen heuerte vier Männer vom Hamburger Kiez an, um Andreas S. aus dem Weg zu räumen.

Der Koch zahlte am Ende die Zeche allein. Er wurde von der Stader Schwurgerichtskammer wegen versuchten Mordes an seinem ahnungslosen Nebenbuhler zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der BGH prüft, ob in Stade Verfahrensfehler gemacht wurden. Nur wenn sich das herausstellt, würde das Verfahren neu aufgerollt, sagt Landgerichtssprecherin Petra Baars.