Der JadeWeserPort wird am Freitag eröffnet. Trotz Kinderkrankheiten ist der Konkurrent besser für die Zukunft gerüstet als die Hansestadt.

Wilhelmshaven. Am 26. Oktober 2000 hob der damalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) am Ende langer Verhandlungen mit dem Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und dem Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) sowohl sprachlich als auch faktisch ab. Als "historisch" und "Ende einer jahrhundertealten Fehde" vor allem der beiden großen Hansestädte rühmte er in Hamburg die soeben erfolgte Einigung der SPD-Regierungschefs der drei Küstenländer auf den gemeinsamen Bau eines neuen Tiefwasserhafens.

2002 hielt der Alltag der Eifersüchteleien und Einzelinteressen wieder Einzug: Hamburg verabschiedete sich aus dem Projekt Wilhelmshaven, obwohl wichtige Vertreter der Hafenwirtschaft dem damaligen CDU-Bürgermeister Ole von Beust geraten hatten, doch lieber den berühmten Fuß in der Tür zu behalten und mitzugestalten, was ohnehin nicht aufzuhalten schien.

Tatsächlich rauften sich Niedersachsen und Bremen erst einmal trotz unterschiedlicher Interessen zusammen, steckten im Laufe der kommenden zehn Jahre mehr als 600 Millionen Euro Steuergelder in die Infrastruktur des Projekts JadeWeserPorts. Mehr als 34 Millionen Kubikmeter Sand wurden aufgespült, eine 1700 Meter lange Kaje entstand, seit einigen Monaten hat Wilhelmshaven mit den acht riesigen Containerkränen, je 126 Meter hoch und 1750 Tonnen schwer, neue Wahrzeichen.

An diesem Freitag wird die vom niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) im Wahlkampf herbeigesehnte feierliche Eröffnung erfolgen. Spannend ist dabei, ob er es über sich bringt, seinen sozialdemokratischen Vorgänger Gabriel zu erwähnen als eigentlichen Geburtshelfer des künftig einzigen echten von der Tide unabhängigen Tiefwasserhafens an der deutschen Nordseeküste mit mehr als 18 Metern.

Es war keine leichte Geburt und eine noch schwierigere Kindheit auf dem Weg zum ausgewachsenen Hafen. Die "Erziehungsberechtigten", also Niedersachsen und Bremen, zanken vom ersten Tag an über den richtigen Weg, das Kind aufzupäppeln. Bremen sah lange Zeit im Hafen Wilhelmshaven nur eine Verlängerung der eigenen Kajen und bestand darauf, dass der in den Bremer Häfen stark engagierte und mit der Hafenwirtschaft verflochtene Baukonzern Hochtief das eine Milliarde Euro teure Projekt bauen sollte. Letztlich setzte sich aber im Bieterverfahren ein Baukonsortium um die niedersächsische Bunte-Gruppe (Papenburg) gerichtlich durch; fortan hing der Haussegen schief. So tief waren die Gegensätze, dass ein Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags über Monate dem Verdacht nachging, Bremen habe versucht, sich die Regie über Bau und Betrieb des Hafens mit Lug und Betrug unter den Nagel zu reißen.

Nicht eben förderlich fürs gedeihliche Miteinander war auch die Entscheidung, der Firma Eurogate als Betreiber des Tiefwasserhafens den Zuschlag zu geben. Eurogate ist ein Gemeinschaftsunternehmen aus Bremen Logistics Group im Besitz des Stadtstaates Bremen und Eurokai, dem größten europäischen Terminalbetreiber. Aus Rücksicht auf die Interessen von Eurogate in Bremen wurde die eigentlich bereits für 2011 geplante Inbetriebnahme des neuen Tiefwasserhafens verschoben - Eurogate wollte erst die freie Kapazität in Bremerhaven auslasten.

Und Eurogate dürfte es auch recht gewesen sein, dass dann immer neue Löcher - in der Fachsprache Schlosssprengungen - in der funkelnagelneuen Kaje in Wilhelmshaven festgestellt wurden. Zähneknirschend stimmte die Landesregierung in Hannover einer erneuten Verschiebung der Eröffnung von Anfang August auf Ende September zu. Wer letztlich die Kosten von mehr als 50 Millionen Euro für die zusätzliche Mauer trägt, wer für die bereits fest eingeplanten Einnahmen aus dem Betrieb aufkommt - das wird die Gerichte beschäftigen.

Und ebenfalls vor Gericht streitet sich die staatliche Hafengesellschaft JaderWeserPort mit dem Betreiber Eurogate über die Gebühren für die Abfertigung der Container. Niedersachsen will nach spätestens 18 Monaten richtig zulangen, um die eingesetzten Steuermillionen refinanzieren zu können. Eurogate verweist auf die Konkurrenz von Hamburg und Bremerhaven mit niedrigeren Gebühren. Klar ist: Eurogate hat sich verpflichtet, nach Inbetriebnahme des Hafens im ersten Jahr 640 000 Standardcontainer umzuschlagen und diese Menge binnen sieben Jahren auf 2,7 Millionen Container zu steigern. Bislang allerdings hat nur der Eurogate-Partner und Branchenprimus Maersk Wilhelmshaven in seinen Fahrplan integriert. Die Konkurrenz, der Maersk in den vergangenen Jahren einen mörderischen Preiskampf bei den Frachtraten aufgezwungen hat, hält sich jetzt merklich und fast genüsslich zurück.

Dass der Tiefwasserhafen langfristig schon wegen der immer größeren Schiffe mit immer größerem Tiefgang seine Chance bekommt, gilt als sicher. In Hannover haben sie bereits die Pläne fertig in der Schublade für eine zweite Ausbaustufe.

Wie schnell aber der wirtschaftliche Erfolg eintritt, hängt an der Entwicklung der Weltwirtschaft ebenso wie am Ausbau der vorsintflutlichen Bahnanbindung - auf dann zwei Gleise bei gleichzeitiger Elektrifizierung. Trotz aller Bauverzögerungen hat das Projekt bereits einen Punktsieg errungen: Wilhelmshaven nimmt den Betrieb auf, aber für die von Hamburg herbeigesehnte Elbvertiefung haben die Bauarbeiten gerade erst begonnen. Und langfristig wird auch diese Elbvertiefung nicht Schritt halten mit dem wachsenden Tiefgang immer größerer Schiffe. Angesichts des ständigen Zeitdrucks in der Containerschifffahrt spricht noch ein Argument für Wilhelmshaven: Die Fahrt zur Kaje beträgt 23 Seemeilen, nach Hamburg sind es 78.