Nach zweijähriger Bauzeit eröffnet morgen das Outlet-Center in Soltau mit 60 Geschäften – und soll jährlich 1,3 Millionen Gäste anlocken.

Soltau/Bispingen. Nach zweijähriger Bauzeit eröffnet morgen am Rande der Autobahn 7 das Designer Outlet Soltau (DOS) . 60 Geschäfte auf knapp 10 000 Quadratmeter Verkaufsfläche, in denen das ganze Jahr über Markenartikel zu Schnäppchenpreisen angeboten werden, dazu Heidedorf-Illusion mit Fachwerk, Reet und weißen Sprossenfenstern: Nach den Prognosen der Wiener Betreibergesellschaft Retail Outlet Shopping soll all das künftig 1,3 Millionen Menschen pro Jahr ein Anreiz sein, dem Einkaufszentrum einen Besuch abzustatten. Die Mutschler-Gruppe mit Sitz in Ulm hat 80 Millionen Euro in den Standort investiert.

Die Begeisterung in der Region ist nicht ungeteilt. Sogar in Soltau selbst gehen die Meinungen darüber auseinander, ob das DOS nun ein Segen sei oder nicht. Wilhelm Ruhkopf, Bürgermeister der 21.000-Einwohner-Stadt, sieht vor allem Chancen. "Wir erhoffen uns, dass zehn Prozent der Besucher des Outlet-Centers auch in unsere Innenstadt kommen", sagt er. "Das wäre eine Win-win-Situation."

Menschen wie Hans-Jürgen Lange sehen der Zukunft etwas sorgenvoller entgegen. Lange ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft Handel und Gewerbe in Soltau - und führt seit 1988 ein Sportgeschäft in eben jener Innenstadt; Sportgeschäfte gibt es auch im Outlet-Center. "Wir Kaufleute fürchten, dass sich mehr Soltauer aus der Stadt raus orientieren, als dass Gäste reinkommen", sagt er.

Das neue Einkaufszentrum passe hervorragend in diese Region, die dank ihrer ungewöhnlich hohen Dichte an Freizeitparks ohnehin schon ein Publikumsmagnet sei, meint hingegen der Bürgermeister. Eine Einschätzung, die auch Ulrich von dem Bruch teilt, Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH (LHG). Die Dachorganisation und Interessenvertretung der touristischen Leistungsträger in der Region - Gesellschafter sind unter anderem die Landkreise Harburg, Celle, Lüneburg, Uelzen und der Heidekreis sowie die Städte Lüneburg, Celle und Bad Bevensen - eröffnet im Outlet-Center eine Touristeninformation. "Diesen 1,3 Millionen Besuchern, die erwartet werden, würden wir gern unsere schöne Region nahebringen", hat von dem Bruch unlängst gesagt. "Es gibt nur sehr wenige Orte in der Heide, an denen so viele Menschen zusammenkommen." Er vermutet, dass die neue Einkaufswelt auch Übernachtungsgäste anlocken wird. "Urlaub, Shopping und Outlet, das passt ausgezeichnet zusammen."

+++ Auch in Neumünster eröffnet ein Outlet-Center +++

Mit rund fünf Millionen Übernachtungen ist das vergangene Jahr nach Angaben aus dem Hause LHG das erfolgreichste seit zehn Jahren gewesen. Der durchschnittliche Gast bleibe 2,9 Tage. Der mit Tourismus erwirtschaftete Bruttoumsatz liege bei 1,5 Milliarden Euro jährlich, die Branche zähle mehr als 40 000 Beschäftigte - damit sei der Fremdenverkehr der stärkste Wirtschaftszweig.

Eine immer wichtigere Rolle spielt dabei der sogenannte Event-Tourismus, spielen Einrichtungen wie beispielsweise der Heide-Park in Soltau oder der Snow Dome und die Kartbahn in der Nachbargemeinde Bispingen. Einrichtungen, die sich untereinander vernetzen. "Wir alle wissen, dass wir nur gemeinsam stark sein können", sagt etwa Snow-Dome-Geschäftsführer José Fernandes, "kein Mensch geht an vier Tagen hintereinander in den Heide-Park, auf die Skipiste oder auf die Kartbahn." Und Jens-Peter Sachau, Prokurist beim benachbarten Ralf Schumacher Kart&Bowl, sagt: "Wir helfen uns alle gegenseitig."

Das Outlet-Center ist in ihren Augen eine weitere hilfreiche Attraktion. Heide-Park-Geschäftsführer Hannes W. Mairinger: "Ich sehe es als große touristische Bereicherung. Die Lüneburger Heide und speziell Soltau werden durch seine Eröffnung noch attraktiver für die Gäste." Für die Unternehmen in der Lüneburger Heide biete sich eine zusätzliche Möglichkeit, Zielgruppen zu erreichen, die der Region vorher verschlossen geblieben seien. "Für die Region an und für sich ist jede Attraktion gut, die dem Gast das Verweilen in der Heide schmackhafter macht", sagt José Fernandes.

Glücklich mit dem Outlet-Center im 14 Kilometer entfernten Soltau sind die Bispinger trotzdem nicht: Sie hätten lieber eines in ihrer eigenen Gemeinde gehabt, gleich neben Skipiste und Kartbahn. Dort wollte der Betreiber Value Retail bauen. In Soltau hatte hingegen zunächst Mitbewerber McArthurGlen Ambitionen, verkaufte das Grundstück später aber an die Mutschler-Gruppe. Nach jahrelangem Tauziehen entschied die Landesregierung in Person des damaligen Landwirtschaftsministers Hans-Heinrich Ehlen (CDU) - in sein Ressort fällt die Verantwortung für Landesplanung und Raumordnung - schließlich 2009 für Soltau.

Bispingen hält immer noch ein rund 130 000 Quadratmeter großes Grundstück für Value Retail reserviert. Die Enttäuschung in der 6200-Einwohner-Gemeinde ist riesengroß. Bürgermeisterin Sabine Schlüter: "Unter touristischen Gesichtspunkten hätte die Wahl auf Bispingen fallen müssen."

Value Retail, heißt es in Bispingen, klage inzwischen gegen die Entscheidung des Landes. Mit welchem Ziel, ist unklar. Das Unternehmen hat eine Abendblatt-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.