Statt auf Getreide oder Kühe setzt Bauer Schäfer aus Affinghausen auf Meeresfrüchte. 16 Tonnen will er pro Jahr verkaufen.

Affinghausen. Erstaunte Gesichter bei den Nachbarn, die meisten Banker lachten nur mitleidig, und die Behörden lehnten die sonst für landwirtschaftliche Investitionen üblichen Subventionen ab. Doch all das ließ Familie Schäfer aus Affinghausen unbeirrt. Sie erfüllte sich ihren Traum und baute eine Shrimpsfarm. Mitten im für die Wärme liebenden Tiere unwirtlichen Deutschland, die erste ihrer Art.

Stolz steht Landwirt Heinrich Schäfer in seiner "Schwimmhalle", die er nach zwei Jahren der Planung und beharrlichen Kampfes gegen die Bürokratie in die Weite der niedersächsischen Landschaft gepflanzt hat. Von außen ähnelt das Gebäude einer Tennishalle. Drinnen tummeln sich auf drei Etagen Tausende von grauen Garnelen in Salzwasserbecken, aufgeheizt auf gemütliche 31 Grad. Zu Ostern kann der bullige Niedersachse ernten. Dann sind die Tiere nach gut sechs Monaten auf eine Länge von 20 Zentimetern gewachsen und haben damit genau die richtige Größe für die Pfanne. 16 Tonnen Garnelen will der Bauer im Jahr verkaufen und erhofft sich Preise von bis zu 40 Euro für das Kilo. Ein gutes Geschäft.

"Im Grunde ist das Ganze nicht mehr als die intelligente Nutzung der Abwärme aus meiner Biogasanlage", sagt der gelernte Landwirtschaftsmeister und wischt sich im tropischen Klima den Schweiß von der Stirn. Immerhin produziert das kleine Kraftwerk aus dem Mais, den Schäfer rund um Affinghausen bei Bremen anbaut, nur zu 50 Prozent Strom, den er ins örtliche Netz von E.on einspeisen kann. Die andere Hälfte ist Wärme, die Bauern mit Biogasanlagen normalerweise zum Heizen ihrer Häuser und Ställe oder zum Trocknen von Holz nutzen.

"Ich wollte einfach etwas anderes machen", sagt Schäfer, der auch bisher schon gerne gegen den Strom geschwommen ist. Zuletzt verdiente er sein Geld damit, für andere Hofbesitzer die Ernte einzufahren. Aber die klassische Landwirtschaft lohne sich in Deutschland nicht mehr, ist der 60-Jährige überzeugt. "Die Zeiten sind vorbei", sagt Schäfer und zeigt auf die Bauernhöfe der Nachbarn, die an diesem Wintertag einsam und verlassen zwischen den Wiesen liegen, denn die Familien haben ihre Kühe und Schweine längst verkauft. Für seinen Hof, der 450 Jahre im Familienbesitz ist, wünschte er sich eine bessere Zukunft.

Gemeinsam mit seinem Sohn Marco (35), der für das Projekt einige Zeit bei einem Shrimpszüchter in Texas lebte, tüftelte er die Bedingungen für die Aufzucht der Feinschmeckerlieblinge aus. Der Sauerstoff- und Salzgehalt des Wassers, die Temperatur und die Menge des Futters sind die Stellschrauben, die bei den Garnelen fernab ihrer Heimatgewässer vor der Küste Mexikos über Leben und Tod entscheiden können.

Zu viel Futter verschmutzt das Wasser, zu wenig von der eiweißreichen Mischung aus Erbsen, Getreide und Sojaschrot kann die Garnele zum Kannibalen werden lassen. Und schon eine halbe Stunde ohne Sauerstoffzufuhr in den Becken tötet den gesamten Bestand. In solchen Fällen ertönt eine Sirene, und in der vollautomatisch gesteuerten Anlage springen die Sicherheitsaggregate an. 750 000 Euro hat Schäfer in die Becken investiert, mithilfe der Bremer Bank, die nach der Odyssee des Bauern bei etlichen Geldinstituten die einzige Kreditzusage machte. Dazu kamen 2500 Euro für die ersten 170 000 Shrimpslarve, die Schäfer bei einem Züchter kaufte.

Inzwischen schlägt seine Idee immer größere Wellen. Etliche Landwirte sind bereits nach Affinghausen gekommen, um den Garnelen-Pionieren über die Schulter zu schauen. "Es macht uns schon stolz, dass wir es bis hierher geschafft haben", sagt Schäfer, der sich bei der Entwicklung der Aquakultur auf die Erfahrung der Polyplan GmbH stützte, einem Bremer Spezialisten für Wasseraufbereitung.

Nächste Herausforderung ist nun der Vertrieb der empfindlichen Tiere, die ab dem Frühjahr die Becken verlassen, dann sofort schockgefrostet werden und unter dem Markennamen Marella Shrimps auf den Markt kommen sollen.

Die Schäfers wollen sich nicht dem Preisdruck des Lebensmittelhandels aussetzen, sondern vornehmlich an die Gastronomie verkaufen. Ihre Aufzucht garantiert eine zu 100 Prozent medikamentenfreie Garnele, anders als bei vielen Produzenten aus Fernost. Schäfer lässt diese Qualität regelmäßig von der tierärztlichen Hochschule Hannover überprüfen und sieht darin neben der logistisch günstigeren und damit klimaverträglicheren heimischen Produktion entscheidende Verkaufsargumente.

Um sich gegen mögliche Konkurrenz zu schützen, haben die Schäfers schon vor dem Verkauf ihrer ersten Garnele eine Wettbewerbsschranke errichtet: Sie handelten mit ihrem Aquakulturlieferanten Polyplan, dem Anbieter mit der größten Erfahrung auf diesem Gebiet, einen Sondervertrag aus: Sollte Polyplan einem anderen deutschen Landwirt eine Garnelenfarm verkaufen, muss dieser sich verpflichten, die Tiere in einen gemeinsamen Verkaufspool zu liefern. So will Nochmonopolist Schäfer einen Preiskampf um die Shrimps "made in Germany" verhindern: "Wir wollen ja schließlich nicht so enden wie die Milchbauern."