Teil 2: Frau aus Hannover stoppte einen jungen Schläger, der auf einen Fußgänger eintrat und ihn mit Fäusten attackierte

Hannover. Der Satz wirkte wie ein Signal. "Ich mach dich fertig", sagte der Fahrradfahrer, während er auf den Fußgänger eintrat und mit Fäusten attackierte. "Da habe ich an den armen jungen Mann gedacht, den sie da in der Berliner U-Bahn-Station zusammengeschlagen haben", sagt Ruth Kracke. Danach hat sie an diesem Mittwochabend im August im Stadtwald von Eilenriede in Hannover nicht mehr viel nachgedacht, sie hat sich einfach eingemischt. "Das war eine Entscheidung von Sekunden, aus dem Bauch raus." Die alte Dame, die gerade ihren Hund ausführte und die Szene beobachtet hatte, rief: "Stopp, so nicht! Nun ist aber Schluss!" Ihr sei durchaus bewusst gewesen, dass sie sich selbst in Gefahr gebracht habe, sagt die 80-Jährige im Rückblick. "Ich habe darum immer auf die kräftigen Arme des jungen Mannes geblickt und war bereit, mich zu ducken, falls er zuschlägt." Ein hinzukommendes junges Paar habe schließlich die Polizei gerufen, der Angreifer verschwand auf seinem Rennrad. Die Polizei konnte später nicht ermitteln, wer er war.

Der Anlass für die Auseinandersetzung war banal: Der Radfahrer - mit gelbem Trikot und Spiegelbrille - hatte den 59-jährigen Fußgänger beim Vorbeifahren gestreift. Der Fußgänger sprach den jungen Mann darauf an und erntete eine unerwartet aggressive Reaktion. Der Radfahrer schrie und attackierte den Mann derart heftig, dass diesem eine Rippe brach. Ruth Kracke kannte das Opfer. "Ich habe oft darüber nachgedacht, ob ich auch eingegriffen hätte, wenn es ein Unbekannter gewesen wäre - aber ich denke schon. Man muss doch was tun." Wenn sich die 80-Jährige an den Vorfall erinnert, spricht sie sehr bestimmt. Es ist ihr immer noch anzumerken, dass sie das Verhalten des jungen Mannes fassungslos gemacht hat. Dass sie sich nicht einschüchtern lässt, nimmt man der resoluten Frau sofort ab.

Es wird in Deutschland viel debattiert über Zivilcourage, seitdem immer wieder Menschen vor Zeugen in Bahnstationen, öffentlichen Parks oder U-Bahnen lebensgefährlich oder gar tödlich verletzt worden sind. Obwohl es nicht selbstverständlich, dass sie, auch trotz ihres hohen Alters, einschritt, sieht sich Ruth Kracke nur bedingt als "Heldin" - " Helden sind doch ganz andere Leute", sagt sie. Die ehemalige Sekretärin, die in der Vorweihnachtszeit massenweise Kekse für ihre Neffen und Bekannte backt, hält ihre Reaktion für selbstverständlich. Es gebe mittlerweile zahlreiche Radfahrer, die sich äußerst aggressiv im Verkehr verhielten, die Fußgänger mit ihrem hohem Tempo ängstigten. "Ich hätte den jungen Mann vermutlich auch angesprochen - und wäre dann vielleicht selbst das Opfer gewesen."