Norderstedter Kleingärtner beschließen Obergrenze für bestimmte Migranten und lösen Welle der Empörung aus. Politik und Kirche schalten sich ein

Norderstedt. Jetzt sprechen sie davon, sie hätten alles versucht, dennoch gelinge die Integration nicht, sie hätten Angst, ihre Gemeinschaft breche auseinander. Mit Aussagen wie diesen treten Norderstedter Kleingärtner des Vereins Harksheide-Kringelkrugweg Vorwürfen entgegen, sie seien ausländerfeindlich. Vorwürfe, erhoben von Parteien, der Kirche, empörten Bürgern. Die Kleingärtner hatten in einer Mitgliederversammlung eine Obergrenze für Migranten im Verein festgelegt; 41 von 70 Mitgliedern waren dafür, umgerechnet nur noch neun der 73 Kleingärten an Bürger mit Migrationshintergrund zu vergeben. Nur elf Mitglieder sprachen sich gegen die Ausländerquote aus. Das Argument der Migrantengegner: Diese würden sich nicht integrieren, dafür aber laut feiern. Sogar die Herkunft der künftigen Gärtnerfreunde wurde bei dem Treffen festgelegt: 25 Prozent sollten Türken und Araber sein, 25 Prozent Osteuropäer, 50 Prozent "sonstiger Herkunft".

Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, dem das Sitzungsprotokoll zugespielt wurde, reagierte empört und droht dem Kleingartenverein mit Kündigung des Pachtvertrags für das städtische Gelände. Der Verein müsse die Abstimmung umgehend zurücknehmen.

Die Kleingärtner argumentierten, dass sich Migranten trotz vieler Versuche nicht in die Kolonie eingefügt hätten, keine Vorstandsarbeit übernähmen, gar nicht erst zu den Versammlungen kämen. "Wir haben alles versucht, um die Kleingärtner mit Migrationshintergrund zu integrieren, wurden jedoch immer wieder enttäuscht", sagt Gerd Kühl, Vorsitzender der Kleingärtner am Kringelkrugweg. "Die wollen nichts mit uns zu tun haben", so die Meinung der alteingesessenen Kleingärtner. Um ein gutes Miteinander zu fördern, sei deshalb jetzt vor dem Vereinshaus der Bau eines großen Backofens und einer Boccia-Bahn geplant.

"Das Ergebnis der Abstimmung verstößt eindeutig gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz", sagt Stefan Schmidt, Beauftragter für Flüchtlinge, Asyl- und Zuwanderfragen in Schleswig-Holstein. Sollte ein Bürger mit Migrationshintergrund von den Kleingärtnern abgewiesen werden, könne er Schadenersatz verlangen.

"Es ist immer dasselbe, wenn gefeiert wird: Sind es Ausländer, sind sie zu laut, sind es Deutsche, beschwert sich kaum jemand", sagt Ugur Sütcü von der Türkisch-Islamischen Gemeinde zu Norderstedt. "Ich bin sehr erschrocken", sagt Hans-Peter Schiller, Vorsitzender des Landesverbands der Gartenfreunde. Landes- und Bundesverband würden sich vom Norderstedter Verein distanzieren. "Das passt nicht in die Demokratie, denn es ist doch wohl egal, wo ein Mensch herkommt", sagt Belma Yesilkaya vom Türkisch-Deutschen Freundschaftsverein Norderstedt. Wer abgelehnt werde, solle sich sofort an den Oberbürgermeister, an Politiker und Presse wenden.

"Der Vereinsführung muss klar gesagt werden, dass eine derartige Praxis auf städtischem Grund und Boden völlig inakzeptabel ist", sagt Günther Nicolai. Der Fraktionsvorsitzende der CDU Norderstedt verlangt von der Vereinsführung eine klare Stellungnahme gegen die ausländerfeindliche Abstimmung in der nächsten Hauptausschusssitzung der Stadt am 23. Januar. Sozialdemokrat Jürgen Lange sagte, der ausländerfeindliche Beschluss sei ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz. Er forderte, die Vergabepraxis der Gärten genau zu prüfen. Der Oberbürgermeister habe die volle Unterstützung der SPD, sollte eine Kündigung des Pachtvertrags notwendig werden.

"Auch bei anderen Kleingartenvereinen sollte jetzt die Vergabe von Gärten überprüft werden", sagt Maren Plaschnick, Fraktionschefin der Grünen Alternativen Liste in Norderstedt. "Das Verhalten spiegelt die latente Ausländerfeindlichkeit unserer Gesellschaft wider", sagt Klaus-Peter Schroeder, Fraktionschef der FDP. "Wir müssen immer wieder auf die Gefahren von Rassismus hinweisen", sagt Miro Berbig, Fraktionsvorsitzender Die Linke. "Wir brauchen Nachbarschaft statt Ausgrenzung", fordert Michael Schirmer, Norderstedter Pastor.

Jetzt, wo der öffentliche Druck so stark ist und die Kündigung des Geländes durch die Stadt droht, überlegt der Verein zurückzurudern. "Wir waren naiv", sagt Kleingärtner Kühl. Auf einer eilig einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung am kommenden Freitag steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Ob danach Ausländer wieder willkommen sind?