Bürger demonstrieren seit Wochen vor einem Laden, in dem Neonazis Thor-Steinar-Kleidung kaufen

Glinde. Lampions und bemalte Bettlaken wehen im Wind. Umgeben von einer Menschentraube, die ab und an Sprechchöre und laute Buhrufe von sich gibt. Immer dann, wenn jemand das Bekleidungsgeschäft betritt, über dessen Tür mit großen weißen Lettern auf schwarzem Untergrund "Tønsberg" geschrieben steht. Seit Mitte September im 17 000 Einwohner zählenden Glinde (Kreis Stormarn) ein neuer Modeladen eröffnet hat, hat sich vor der Ladenzeile in der Möllner Landstraße vieles verändert.

Dort, wo sonst lediglich ein paar Autos parkten, sich der ein oder andere Zigaretten oder eine Currywurst kaufte, stehen seit fünf Wochen Tag für Tag 15 bis 30 Menschen und protestieren - gegen einen Laden, den sie nicht wollen. Denn der Laden ist nicht irgendein Modegeschäft. Im Sortiment gibt es vor allem die bei Neonazis und rechten Hooligans beliebte Marke Thor Steinar der MediaTex-GmbH aus dem brandenburgischen Mittenwalde.

Einer, der sich seit der Geschäftseröffnung regelmäßig an den täglichen Mahnwachen beteiligt, ist der 21 Jahre alte Peter Petersen, Mitglied der Linken-Jugendorganisation Solid. "Wir stehen hier immer mit einem Infostand, verteilen Flyer, klären über Thor Steinar und die Machenschaften auf. Mittlerweile gibt es in Glinde kaum noch jemanden, der nicht weiß, dass es hier einen Nazi-Laden gibt", sagt der Student stolz.

Es sind aber nicht mehr nur linke Jugendorganisationen, die vor dem Tønsberg-Laden Flagge zeigen. Mit ihnen zusammen hat sich mittlerweile ein breites Bürgerbündnis gebildet - der "Runde Tisch Glinde gegen Rechts". 60 Glinder beteiligen sich bereits daran. Und sie alle wollen verhindern, dass sich Glinde zum Anlaufpunkt der "braunen Szene" im Süden Hamburgs entwickelt. Denn seit der Eröffnung häufen sich Autos mit auswärtigen Kennzeichen - aus Nordniedersachsen, dem südlichen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. "Bisher gab es hier keine sichtbare Szene. Jetzt aber, wo der Laden da ist, bekommen manche Mut, ihre Gesinnung öffentlich zu zeigen", sagt Johannes Ratzek, Sprecher des Bündnisses. Einen Hitler-Gruß vor dem Laden habe es bereits gegeben. Und: "Ein junger Mann, der mit seinem Wagen vorbeifuhr, drohte uns mit einer Axt", erzählt ein anderer.

Damit dies nicht zunimmt, fordert das Bündnis die Schließung des Ladens. Auf einer Unterschriftenliste im Rathaus stehen bereits rund 1000 Glinder Namen. Außer einer Großdemonstration am 26. November plant das Bündnis eine Lichterkette im Dezember. Auch an den Schulen soll aufgeklärt werden. "Gerade junge Leute sind leicht beeinflussbar. Erst vor knapp einem Jahr sind vor dem Gymnasium CDs mit rechtsradikaler Musik verteilt worden", sagt Ratzek. Für einen Vortrag versuche das Bündnis derzeit, den Rechtsextremismus-Experten Andreas Speit ans Gymnasium Glinde zu holen.

Bis dahin aber wird vor dem Geschäft weiter demonstriert. Jeden Tag ab 16 Uhr, bis der Laden schließt. "Ich bewundere die, die hier jeden Tag stehen und durchhalten. Für eine kleine Stadt wie Glinde ist das eine tolle Leistung", sagt Wolf Tank, Glindes Grünen-Fraktionschef, der es zwar nur selten zu den täglichen Mahnwachen, dafür aber jeden Sonnabend zu den angemeldeten Demonstrationen schaffe.

Auch in Hamburg zogen im Herbst 2008 täglich zahlreiche Demonstranten vor die Thor-Steinar-Filiale Brevik, die damals in der HSH-Nordbank-Passage in der Innenstadt eröffnet hatte - anders als in Glinde jedoch mit einem großen Polizeiaufgebot. Die Proteste führten in Hamburg dazu, dass die Bank als Vermieter sich mit dem Mieter auf eine vorzeitige Schließung des Geschäftes einigte. Eine hohe Summe soll dabei geflossen sein, über die sich die Bank bis heute in Schweigen hüllt.

Auch der Vermieterin Margarita H. des Glinder Ladens soll angeboten worden sein, 200 000 Euro zu zahlen, um einen langwierigen Rechtsstreit zu umgehen. Darauf aber wolle sie sich nicht einlassen. Die Glinderin, deren Familie seit 40 Jahren 13 Geschäfte in der Stadt vermietet, fühlt sich getäuscht. So sei ihr bei Vertragsabschluss nicht mitgeteilt worden, wer sich hinter dem offiziellen Geschäftsführer - einem Thomas P. aus Nauen - verbirgt. Auch sei nur von Outdoor-Bekleidung gesprochen worden sein, nicht aber über die Marke und die politische Brisanz dahinter.

Um die unbeliebten Mieter loszuwerden, hat der Anwalt der Vermieterin, Christian Verstege, eine Räumungsklage vor dem Landgericht Lübeck eingereicht. Verstege: "Wir sind aber noch ganz am Anfang. Bis es vor Gericht geht, werden noch einige Monate vergehen."