Atomkraftgegner halten die Messwerte am Zwischenlager für manipuliert. Sie rufen zu Demonstrationen und Blockaden auf

Hannover. Am letzten November-Wochenende rollt der 13. Castor-Transport mit hoch radioaktivem Müll nach Gorleben im Wendland. Nach umfangreichen Messungen erst des eigenen Landesbetriebes, dann der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) und des TÜV Nord ist sich das niedersächsische Umweltministerium jetzt sicher, dass die zulässigen Grenzwerte für radioaktive Strahlungen im Umfeld des Lagers auch dann nicht überschritten werden, wenn um den ersten Adventssonntag elf weitere Castor-Behälter aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague in die Halle kommen. Dort lagern bereits 102 Behälter mit dem stark strahlenden Abfall alter Brennelemente der deutschen Kernkraftwerke.

Für die Anti-Atom-Bewegung allerdings sind alle zuletzt veranlassten Überprüfungen "Zahlen-Mauschelei" und Trickserei. Sie wollen jetzt erst recht zu großen Demonstrationen und zu Blockaden aufrufen.

Der Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, sagte sogar: "Der Verdacht einer Manipulation der Messwerte hat sich erhärtet." Damit ist klar, dass auch dieser Castor-Transport zum größten jährlichen Polizeieinsatz in Deutschland wird. Im Vorjahr ist ein neuer Höhepunkt erreicht worden mit rund 50 000 Demonstranten, 20 000 Polizisten sowie Kosten von über 36 Millionen Euro für Niedersachsen.

Die Kernkraftgegner hatten gehofft, eine mögliche Grenzwertüberschreitung durch Anlieferung weiterer elf Castoren könne zu einem Transportstopp führen. Schließlich war es der zum Umweltministerium gehörende Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz, der gewarnt hatte, es sei dann nicht länger sichergestellt, dass am Zaun des Lagers der Grenzwert von 0,3 Millisievert Jahresdosis eingehalten werden könne.

Physikalisch-Technische Bundesanstalt und TÜV aber errechneten, dass die Strahlung nicht über 0,235 Millisievert steige. Das Ministerium pochte gestern vor allem auf den Sachverstand der Bundesanstalt: "Sie ist als nationales Metrologieinstitut die höchste Instanz für das Messwesen in Deutschland." Zudem sei die Lagerung eine "gesamtstaatliche Aufgabe und in diesem Fall auch mit internationalen Verpflichtungen verbunden". Deutschland hat Frankreich vertraglich zugesagt, den aufgearbeiteten Abfall deutscher Atommeiler zurückzunehmen.

Der Widerstand vor Ort ist so groß, weil direkt neben dem Zwischenlager der Gorlebener Salzstock auf Eignung als Endlager erkundet wird. Die Angst: Jeder weitere Castor zementiert auch Gorleben als Endlagerstandort. Die niedersächsische Landesregierung immerhin fordert neuerdings, Atommüll dauerhaft rückholbar zu lagern und eine ganz neue Standortsuche zu beginnen.