Die Nachnutzung von Kasernen wird schwierig, die SPD fordert Härtefonds

Hannover/Lüneburg. Auf den ersten Blick kommt Niedersachsen beim Truppenabzug der Bundeswehr mit einem blauen Auge davon. Rund 10 000 von jetzt noch mehr als 50 000 Dienstposten entfallen, aber das Land bleibt bei der Bundeswehrpräsenz - hinter Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein - gleichauf mit Rheinland-Pfalz in der Spitzengruppe. Tatsächlich aber stehen Landesregierung und Kommunen seit gestern vor viel größeren Problemen, weil auch die britischen Truppen das Land verlassen. Da geht es noch einmal um rund 11 000 Mann sowie deren Familienangehörige.

Der Verlierer schlechthin in Niedersachsen ist die Gemeinde Schwanewede im Landkreis Osterholz. Hier wird die Garnison mit jetzt 1130 Soldaten aufgelöst, nachdem die Bundeswehr schon in der Vergangenheit massiv Personal abgebaut hatte. Starke Reduzierungen müssen auch Lüneburg (von 1820 auf 710), Hannover (2320 auf 1290), Munster (6260 auf 5270), Visselhövede (680 auf 20), Rotenburg (2090 auf 1540) und Celle (1080 auf 400) hinnehmen. Celle ist zudem vom Abzug der Briten besonders betroffen, wie etwa auch Bergen.

Das Echo der betroffenen Kommunalpolitiker reichte von "schlicht eine Katastrophe" im Fall Schwanewede bis hin zu offener Freude. Es gibt nämlich nicht nur Verlierer, sondern auch Profiteure durch die Umorganisation der Bundeswehr. So konzentriert die Marine viele Aufgaben im besonders strukturschwachen Wilhelmshaven, im Ergebnis steigt die Zahl der Soldaten dort um rund 700 auf knapp 8600.

Vielerorts hatten Bürgermeister und Landräte sogar noch schlimmere Einschnitte befürchtet. Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) zeigte sich "erleichtert", dass der Standort Lüneburg bestehen bleibt: "Offenbar hat man unsere sachlichen Informationen über die Vorteile des Standortes anerkannt." Der Lüneburger Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) forderte, dass nun der Zeitplan für die Umstrukturierung offengelegt werden solle: Man müsse "mit den Soldaten, die Lüneburg verlassen müssen, offen umgehen und ihnen aufzeigen, wie und wo es mit ihnen weitergehen soll".

Ganz anders aber sieht es Franka Strehse, SPD-Bürgermeisterin von Visselhövede, wo nur 20 von bislang 680 Dienstposten erhalten bleiben: "Diese Entscheidung ist für uns schwieriger als eine komplette Schließung der Kaserne", sagt sie. Gerade wenn nämlich nur so wenige Dienstposten der Bundeswehr verbleiben, mindere das die Chance, eine attraktive Nachnutzung für die Kasernen zu finden. Ob nun Tourismus oder Gewerbeansiedlung, die Kommunen brauchen Gewerbesteuereinnahmen und Umsätze im Einzelhandel, wenn so viele Soldaten wegziehen.

Deshalb appellierte der Städte- und Gemeindebund Niedersachsen (NSGB) gestern bereits an das Bundesverteidigungsministerium, die Kommunen nicht im Stich zu lassen: "Der Bund muss die Planungskosten für die Nachnutzung der Liegenschaften übernehmen. Und es darf auch nicht nur um maximale Gewinnerzielung bei der Verwertung gehen", so der NSGB. Es sei "unhaltbar", wenn sich - wie im Falle Emden geschehen -, die Entscheidung einer Nachnutzung 13 Jahre hinziehe.

Die oppositionelle SPD im Landtag in Hannover forderte gestern einen Härtefonds von Bund und Land für besonders betroffene Kommunen. Die Gewerkschaft Ver.di rechnete vor, außer mehr als 10 000 Soldaten treffe der Truppenabbau auch mindestens 2000 Zivilbeschäftigte in Niedersachsen. Hier seien aber betriebsbedingte Kündigungen durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen.