Hamburger Globetrotter-Chef will in Torfhaus Vier-Sterne-Ferienanlage für sportliche Urlauber bauen. Mittelgebirge soll wieder belebt werden

Torfhaus. Als Johann Wolfgang von Goethe im Dezember 1777 nach einer Übernachtung in Altenau das benachbarte Torfhaus besuchte, um den Brocken zu besteigen, gab es dort oben nur ein Haus: den Brockenkrug. Im Jahr 2011 ist die Situation nicht viel anders. Zwar gehört die Wanderung auf Goethes Spuren zu den beliebtesten im ganzen Norden, aber viel gastlicher als damals präsentiert sich der Ort mit bestem Brockenblick auch heute nicht. Die maroden Gebäude stehen leer. Es ist fast wie in einem Geisterdorf. Nur in der Bavaria Alm, der einzigen gastlichen Stätte, finden die Gäste zeitgemäße Verpflegung. Torfhaus hat sich im vergangenen Jahrzehnt selbst abgewickelt.

Jetzt tut sich endlich etwas. Die Torfhaus Verwaltungs GmbH plant eine Vier-Sterne-Ferienanlage mit einem Hotel und 21 Lodges mit insgesamt 188 Betten, das Torfhaus Harzresort. Zu dem Konsortium um die Hildesheimer Lüder-Unternehmensgruppe gehört auch der Hamburger Outdoor-Ausstatter Globetrotter. "Wir wollen unsere Kunden ganzheitlich begleiten", sagt Globetrotter-Geschäftsführer Andreas Bartmann dem Abendblatt. Der Bedarf sei da, "aber unsere Klientel hat Ansprüche, die der Harz derzeit nicht abdecken kann".

Die Ansprüche an die Qualität von Unterbringung und Gastronomie seien hoch. "Der Globetrotter-Kunde ist im Schnitt 45 Jahre alt, die sind keine Zeltschläfer mehr", sagt Bartmann. "Wir sehen unser Engagement ein bisschen als Missionsarbeit. Wir wollen den örtlichen Akteuren zeigen, dass es sich lohnt, Geld in die Hand zu nehmen." Reisebüros betreibt das Unternehmen Globetrotter bereits. Derzeit baut das Unternehmen ein Seminarhotel auf dem Aschberg in den Hüttener Bergen - ganz neu ist der Einstieg in das Tourismusgeschäft also nicht.

Zu den Investoren des 12,5-Millionenprojekts gehört die GLC Glücksburg Consulting, die 2009 für eine Reihe von Kommunen im Westharz das Tourismusmarketing übernommen hat. "Torfhaus ist das Schaufenster für den Harz", sagt GLC-Vorstand Martin Weigel.

Doch das Schaufenster ist über die Jahre blind geworden. Ein Grund, weshalb die Torfhaus Verwaltungs GmbH aus dem Vollen schöpfen kann. "Wir haben das ganze Dorf gekauft", sagt Weigel. Dadurch, dass es im Ort, der mitten im Nationalpark Harz liegt, bereits etliche Gebäude gibt, konnten die baurechtlichen Genehmigungen rasch erteilt werden. Fünf marode Häuser wurden bereits abgerissen, die Erschließungsarbeiten laufen. Nach dem Winter soll Baubeginn für das neue Resort sein, die Eröffnung ist für September 2012 angepeilt. "Das Resort wird regionaltypisch gestaltet, mit viel Holz und Schiefer. Die Architekten greifen die alte Harzer Bauweise auf", sagt Andreas Bartmann. Zusätzlich zum Hotel und den Lodges ist ein Restaurant mit regionaler Küche geplant, außerdem eine Touristeninformation, ein Globetrotter-Shop, Ski- und Mountainbike-Verleih und Tagungsräume. Dabei könnten 34 Dauerarbeitsplätze entstehen.

Und: Die Investorengruppe hat sich bereits weitere Flächen im Ort gesichert. "Wir könnten in einem zweiten Bauabschnitt noch 40 weitere Lodges bauen", sagt Weigel.

Er und seine Mitstreiter haben bislang nur Lob für das Projekt geerntet, Kritik in der Region ist nicht zu vernehmen. "Unter den jetzigen Bedingungen können wir mit dem Projekt gut leben", sagt der Sprecher des Nationalparks Harz, Friedhart Knolle, über die zukünftigen Nachbarn. Die Nationalpark-Verwaltung sei frühzeitig in die Planungen einbezogen worden, "auch wenn unserer Areal nicht betroffen ist". Allerdings gebe es viele Berührungspunkte, so sei etwa der Wasserbrunnen für das Torfhaus Harzresort im Nationalpark. Dass die Beziehungen zwischen Investoren und Naturschützern eng sind, zeigt auch ein bereits bestehendes Gebäude: Das Nationalpark-Besucherzentrum steht auf einem Erbpachtgrundstück der Unternehmensgruppe Lüder.

"Das Projekt ist allgemein akzeptiert", sagt auch Walter Lampe, zuständiger Bürgermeister der Samtgemeinde Oberharz. Widerstand habe es nicht gegeben. "Das wird eine runde Sache", ist er sich sicher. Die Samtgemeinde werde davon profitieren - von den Arbeitsplätzen und der Gewerbesteuer, die dann wieder sprudeln soll.

Dass der Harz sich dringend verändern muss, darüber sind sich die Touristiker ohnehin einig. Das Resort in 821 Meter Höhe, so die Hoffnung von Investoren und Kommune, könnte ein Meilenstein werden, um neuen Schwung in den dahinsiechenden Harz-Tourismus zu bringen. Der Niedergang hatte Mitte der 90er-Jahre begonnen. "Die Wiedervereinigung hat dem Harz anfangs satte Zuwächse beschert. Aber anstatt zu investieren und auf neue Themen zu setzen, haben viele Vermieter im Westharz einfach weitergemacht wie bisher und sich weiter auf Senioren und Kuren konzentriert", sagt GLC-Vorstand Weigel. Doch Hotels mit angestaubtem 70er-Jahre-Ambiente und wenig Freizeitangeboten abseits von Wanderwegen und Ski-Loipen haben immer weniger Besucher angelockt. Zwischen 1994 und 2009 sanken die Übernachtungszahlen nach Angaben des Harzer Tourismusverbands von 8,9 Millionen auf 7,6 Millionen. In Altenau, einem der traditionsreichsten Ferienorte im Oberharz, halbierte sich die Zahl der Übernachtungen in diesem Zeittraum von 680 000 auf 332 000. Die Situation war so dramatisch, dass einigen Gemeinden angesichts ausbleibender Touristen die Insolvenz drohte. "Wir wollen weg vom Senioren-Harz hin zum Outdoor-Harz", sagt Weigel. Die GLC hat als privates Unternehmen inzwischen für diverse Harzorte das Tourismusmarketing übernommen. Und kann inzwischen die ersten Erfolge verzeichnen. "Der Oberharz hat ein Übernachtungsplus von 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr." Der Dreh: Statt des örtlichen Kleinklein vermarkten sich Orte wie Altenau, Clausthal-Zellerfeld oder St. Andreasberg jetzt unter einer Dachmarke. "Wir haben insgesamt etwa 1,5 Millionen Übernachtungen in den Kommunen, für deren Tourismus wir zuständig ist", sagt Manager Weigel. "Das ist etwa ein Drittel der Übernachtungen im westlichen Harz."

In St. Andreasberg blickt man neidvoll nach Torfhaus. Der Traum von der geplanten Luxusresidenz "Lanserhof" in der Bergstadt ist vor Kurzem endgültig geplatzt, die Stadtverwaltung wird den Kaufvertrag für das Grundstück rückabwickeln. Und sucht nach einem neuen Investor. Zum Torfhaus Harzresort sagt Bürgermeister Hans-Günter Schärf: "Von solchen Projekten brauchen wir mehr."

"Wir glauben an den Erfolg", sagen die beiden Hamburger Partner in der Torfhaus Verwaltungs GmbH, Bartmann und Weigel. Tatsächlich ist der Harz für beide mehr als nur geschäftliches Engagement. Martin Weigels familiäre Wurzeln liegen in Clausthal-Zellerfeld, Andreas Bartmann wandert schon seit seiner Kindheit gern im nördlichsten deutschen Mittelgebirge. Entsprechend intensiv hatten beide die Abwärtsspirale der Region verfolgt - und wollen jetzt handeln. "Es gibt eine starke emotionale Bindung", sagt der Globetrotter-Mitbegründer, und Weigel nickt. "Wenn wir uns wohlfühlen, werden die Gäste das auch."

Gut 230 Jahre nach Goethes Besuch in Torfhaus kommen auf jeden Fall genug Menschen vorbei - und künftig könnten sie auch bleiben.