Sieben Monate vor der Wahl setzt die Nord-CDU auf de Jager und harten Sparkurs - Kiels SPD-Spitzenkandidat Albig will in Bildung investieren.

Kiel/Rendsburg. Die Parteien in Schleswig-Holstein haben gut sieben Monate vor der Landtagswahl erste Pflöcke eingeschlagen. Der neue CDU-Hoffnungsträger Jost de Jager kündigte bei seiner Wahl zum Landesvorsitzenden am Wochenende auf einem Sonderparteitag in Kiel eine Fortsetzung des harten Sparkurses an. SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig versprach am Rande eines "Bürgerparteitags" in Rendsburg, nach Vorbild Hamburgs mehr in die Bildung zu investieren. "Wir werden versuchen, die Kluft zu Hamburg nach und nach zu schließen", sagte er dem Abendblatt.

Im Fernduell der beiden möglichen Ministerpräsidenten ging die erste Runde an de Jager. Der Wirtschaftsminister machte einen Bogen um das Rednerpult, steckte von der Parteitagsbühne in freier Rede fast eine Stunde lang den Kurs der CDU ab. "Wir müssen moderner werden, um das Lebensgefühl der Menschen heute noch zu erreichen." Kernziel bleibe, den Haushalt zu sanieren. Kleine Seitenhiebe gab es in Richtung SPD ("Rekordverschuldungspartei") und die Grünen, für die Verkehrsprojekte wie die A 20 "lästige Zivilisationsfolge" seien. Selbstsicher und sachlich setzte de Jager weitere Duftmarken, übte scharfe Kritik am Bildungsföderalismus, der zum Flickenteppich der Schulsysteme und damit einem "Mobilitätshemmnis" geführt habe.

Wichtiger als der viele Beifall für die nüchterne Bewerbungsrede wog de Jagers gutes Wahlergebnis. Der 46-jährige Journalist bekam 241 von 258 Stimmen (93,4 Prozent) und größeren Zuspruch als 2010 sein Vorgänger Christian von Boetticher (90,9 Prozent), der vor sechs Wochen wegen einer Affäre mit einer Minderjährigen von allen Spitzenämtern zurückgetreten war. Von Boetticher applaudierte de Jager stehend.

Wirklich harmonisch verlief der Neuanfang aber nicht. Viele der eigentlich 325 Delegierten fehlten, andere aus Boettichers Heimatverband Pinneberg stimmten in den Jubel nicht ein. Zu schaffen machen der bodenständigen Union zudem zwei alte Probleme. Sie hat kaum Spitzenpolitikerinnen und in den Städten einen schweren Stand. Trotz der schlechten Umfragewerte (30 Prozent) gab die CDU die Wahl nicht verloren. "Seien die Umfragen noch so mager, Ministerpräsident wird Jost de Jager", kalauerte Dithmarschens Kreischef Timm Hollmann und bekam dafür stürmischen Beifall.

+++Jost de Jager zieht positive Bilanz der Wirtschaftspolitik+++

+++Christian von Boetticher tritt nun endgültig ab+++

Solche Durchhalteparolen waren bei der SPD im Rendsburger Kulturzentrum nicht zu hören. Die Genossen, die nach der Boetticher-Affäre in der Wählergunst erstmals seit Jahren knapp vor der CDU lagen, setzen ganz auf Albig, der im Sommer durch Schleswig-Holstein tourte und mancherorts mit Bürgern ins Gespräch kam. Sein Anspruch eines Bürger-Wahlprogramms ließ sich in Rendsburg aber nur teils erfüllen. Von den 180 Gästen waren 70 bis 80 Prozent SPD-Mitglieder, und spektakuläre Bürgerideen blieben aus. "Wirklich Neues oder Überraschendes ist bisher nicht gekommen", räumt der SPD-Chefprogrammatiker, Ex-Justizminister Uwe Döring, ein.

Am Rande der Veranstaltung nahm Albig kein Blatt vor den Mund. Im Gespräch mit dem Abendblatt forderte er eine norddeutsche Politik. "Wir müssen Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein als einen Wirtschaftsraum begreifen." In einem Raum dürften die Lebensbedingungen der Menschen nicht zu weit auseinanderklaffen, mahnte der OB mit Blick auf Hamburg, das etwa kleinere Grundschulklassen als Schleswig-Holstein garantiert. Abhilfe will Albig etwa dadurch schaffen, dass er weniger Lehrerstellen einspart als die CDU. Woher er das Geld dafür nimmt, blieb offen. In der SPD gelten Albigs Versprechen als ein wunder Punkt im Wahlkampf. Sorgen bereitet einigen Genossen auch Parteichef Ralf Stegner. Er zieht im Hintergrund nach wie vor die Strippen.

Vom SSW kam am Wochenende eine klare Ansage. Die Partei der dänischen Minderheit bestätigte ihren Vorsitzenden Flemming Meyer im Amt und schloss eine Koalition mit der CDU aus. Die Grünen genossen ihre Rolle als Königsmacher. Parteichefin Eka von Kalben schloss eine schwarz-grüne Koalition nicht aus. Ob der Höhenflug der Öko-Partei (derzeit 19 Prozent) anhält, ist offen. Erste Turbulenzen drohen heute, wenn die Grünen den Entwurf ihres Wahlprogramms vorstellen und dabei erklären müssen, wie sie ohne große Verkehrsprojekte Dauerstaus vor Hamburg verhindern wollen.