Ex-Bundesminister kehrt nach Affäre in die Politik zurück - aber er tritt nicht mehr für die SPD an

Hannover. Der Wahlkampf geht auf die Zielgerade, am Sonntag ist Kommunalwahlen in Niedersachsen. An Laternenpfählen und Ampelmasten hängen gut sichtbar die Plakate der Kandidaten. "Wir lieben Varel", lockt die CDU in Friesland. "Jetzt das Richtige tun. SPD wählen", fordern die Sozialdemokraten. Doch das bekannteste Gesicht Varels sucht man unter all den Plakaten vergebens: das von Karl-Heinz Funke, Bundesagrarminister a. D.

Öffentlichkeitswirksame Werbung hat der 65-Jährige nicht nötig. In seiner Heimatstadt ist er sowieso überall bekannt. Viele Jahre saß er für die SPD im Landtag in Hannover, wurde Landesagrarminister unter Gerhard Schröder und folgte ihm später auch als Ressortchef nach Berlin. Die Vareler waren stolz auf ihren Funke.

Zuletzt landete er aber vor allem mit seiner Silberhochzeitsfeier, die er sich von einem öffentlich-rechtlichen Wasserverband zum Großteil bezahlt haben lassen soll, in den Schlagzeilen. Die Affäre kostete Funke alle seine kommunalpolitischen Ämter.

Nach eineinhalb Jahren Zwangspause will er bei den Kommunalwahlen nun in den Stadtrat und Kreistag in Friesland zurückkehren - allerdings ohne die SPD, die ihn nicht mehr aufstellen wollte. Schließlich ist Funke wegen Untreueverdachts angeklagt. Ein aufsehenerregendes Gerichtsverfahren mitten im Wahlkampf blieb Funke erspart. Das Landgericht Oldenburg will einige Sachverhalte noch genauer prüfen lassen. Wann - und ob überhaupt - sich Funke vor Gericht verantworten muss, ist noch nicht absehbar.

"Zukunft Varel" heißt die von Funke gegründete Wählergemeinschaft, die neun Kandidaten für die Wahl zum Stadtrat und drei für die zum Kreistag stellt. Der Name ist Programm. Doch was das genau heißt, bleibt nach dem Besuch des Internetauftritts unklar. Funke selbst wird konkreter. Der Erhalt der Grundschulen ist ein Ziel, das ganz oben auf seiner Agenda steht. Alles Themen, die einst auch die SPD vertreten hatte, gibt Funke zu. Das sozialdemokratische Herz schlägt halt immer noch in seiner Brust, immerhin war er mehr als 40 Jahre Mitglied. "Im Grunde habe ich politisch nichts anderes gelernt", sagt Funke.

Manche in Varel behaupten aber auch, dass Funke nur kandidiere, um der SPD und Bürgermeister Gerd-Christian Wagner eins auszuwischen. Mit dem sozialdemokratischen Stadtoberhaupt liegt Funke schon seit Längerem im Clinch.

Als wortgewaltig, standfest und bürgernah, aber auch als stur und nachtragend, beschreiben ehemalige Parteikollegen und politische Gegner Funke. "Komplett ist der Kerl nicht ruhigzustellen", sagt der CDU-Politiker Hans-Heinrich Ehlen und meint das als Kompliment. Funkes Sprüche wie "Oldenburger Butter hilft dem Bauern auf die Mutter" sind legendär. Seine Bürgernähe - er ist auch Grabredner - kommt bei vielen in der rund 25 000 Einwohner zählenden Gemeinde gut an.

Es sind zwar "nur" Kommunalwahlen, die am 11. September in Niedersachsen anstehen. Doch die Stimmabgabe der 6,5 Millionen Wahlberechtigten ist auch für die Landespolitik von entscheidender Bedeutung. Sollten die Regierungsparteien CDU und FDP die Gunst der Wähler verlieren oder gar einen Absturz erleben, würde dies bis zur nächsten Landtagswahl die Regierungsarbeit von Ministerpräsident David McAllister (CDU) massiv belasten. Je nach Terminfestlegung der Landesregierung findet die Landtagswahl zwischen Oktober 2012 und Januar 2013 statt. Kritiker von McAllister betonten zudem, dass eine mögliche Wahlniederlage den 40-Jährigen auch persönlich beschädigen würde. McAllister hatte im Juli 2010 das Regierungsamt von Christian Wulff "geerbt", nachdem dieser zum Bundespräsidenten gewählt worden war. Sowohl die Kommunalwahlen als auch die Landtagswahl werden daher als Gradmesser für McAllister angesehen, sind es doch seine ersten Wahlen an der Spitze von Landes-CDU und in Regierungsverantwortung.

Die CDU hatte die Kommunalwahlen 2006 mit landesweit 41,3 Prozent gewonnen. Das waren allerdings 1,3 Punkte weniger als 2001. Die SPD verlor landesweit mit zwei Prozentpunkten am stärksten und kam auf 36,6 Prozent. Die Grünen gewannen 1,1 Punkte hinzu und konnten ihr Ergebnis auf 7,8 Prozent verbessern. Die FDP erreichte 6,7 Prozent und damit 0,5 Punkte mehr als 2001.