Biogasanlagen und Flächenverbrauch verdrängen die Tiere. Schafzüchter warnen vor existenzgefährdenden Situation.

Schwerin/Kiel/Hannover. Schafe gehören vor allem an den Küsten zum Landschaftsbild in Deutschland; aber jetzt bedrohen der zunehmende Flächenverbrauch durch die Menschen und der Boom der erneuerbaren Energien die Schafzucht. Carl Lauenstein, Vorsitzender des Verbandes der Schafzüchter, warnt eindringlich: "Die Situation ist existenzgefährdend, ich habe große Sorge um die Schafhaltung in Deutschland".

Exemplarisch steht Mecklenburg-Vorpommern für die sich abzeichnende Misere. Seit 2006 ist dort die Zahl der Schafe bereits um ein Fünftel auf 83 000 Tiere gesunken. Und die Pachtpreise für Grünland explodieren regelrecht - um bis zu 20 Prozent im Jahr.

Jürgen Lückhoff, Landesvorsitzender des Verbandes der Schaf- und Ziegenzüchter, sieht aber auch die Landespolitik in der Pflicht, Rücksicht auf Schafzüchter zu nehmen: "Wenn jetzt noch Flächen für künftige Überflutungsgebiete verloren gehen, wird es noch dramatischer." Zudem ist es in Mecklenburg-Vorpommern das Bodenverwertungsamt, das allein in diesem Jahr über rund 1500 Pachtverträge für Schäfer neu verhandelt und dabei immer höhere Preise fordert.

Schäfer Ingo Stoll aus Nordvorpommern hat erfahren, wie das abläuft. Er hält 1200 Schafe, seine Familie lebt davon. Aber er musste gerade acht Hektar Weide abgeben, das Land ging an einen Energiewirt. Die bittere Erkenntnis des Schäfers Stoll: "Eine Biogasanlage ist wie eine Kuh. Wenn sie Leistung bringen soll, braucht sie gutes Futter".

Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren vor allem in Norddeutschland zahllose neue Biogasanlagen entstanden, und "gefüttert" werden sie vorzugsweise mit Mais. Weil aber als Folge die Zahl der Monokulturen mit Mais dramatisch stieg, hat der Bundestag des EEG (erneuerbare Energien-Gesetz) geändert. Jetzt müssen die Bauern einen höheren Anteil von "Grünzeug" verfüttern, dafür erhalten sie einen Bonus. Damit aber werden, wie Lauenstein erläutert, auch solche Grünflächen für die Energiewirte interessant, die in der Vergangenheit kaum zu bewirtschaften waren und für wenig Geld an Schäfer verpachtet wurde. Bis zu 500 Euro pro Jahr Pacht, wie sie jetzt verlangt werden, da rechne sich die Schafzucht nicht mehr.

So dramatisch wie in Mecklenburg-Vorpommern sieht die Lage in Schleswig-Holstein nicht aus. Hier hat der Verband der Schäfer rund 900 Mitglieder mit zusammen rund 360 000 Tieren. Landesverbandschef Herbert Tietjen rechnet vor, dass davon fast 80 Prozent als lebende Rasenmäher an den Küsten gebraucht werden: "Die Politik hierzulande weiß glücklicherweise, dass Deiche nicht ohne Schafe existieren können." Die Tiere halten das Gras kurz, verdichten den Boden naturschonend und tragen so maßgeblich zur Stabilität der Küstenschutzanlagen bei.

In Niedersachsen mit rund 250 000 Schafen sieht es ähnlich aus. Gert Hahne, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, versichert, die Politik sei für das Problem "sensibilisiert", Agrarressort und Umweltressort prüften gemeinsam Möglichkeiten, die Entwicklung zu steuern.

Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit rund 2,4 Millionen Schafe und 35.000 Schafhalter. Das Gros von ihnen betreibt die Schafzucht als Hobby oder als kleinen Betriebszweig, aber die hauptberuflichen Schäfer geraten immer stärker in die Klemme.

Verbandschef Lauenstein erinnert deshalb an den wichtigen Beitrag, den die Schafe zur Landschaftspflege leisten. Aber besonders groß ist seine Hoffnung nicht, dass die Politik einlenkt, etwa beim Bonus für die Biogasanlagen. "Wir sind nur eine kleine Gruppe und haben wenig politischen Rückhalt."