Universität Potsdam prüft Plagiatsvorwürfe gegen Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann. Der CDU-Politiker gerät unter Druck.

Hannover. Als junger parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion hatte sich Bernd Althusmann den Titel "Panzer" verdient. Wenn die eigene Fraktion im Landtag in Hannover unter Druck geriet, blies der ehemalige Bundeswehrhauptmann zur Gegenattacke. Ein Jahrzehnt später, als niedersächsischer Kultusminister, bleibt ihm nur die Defensive. Die Universität Potsdam hat entschieden, den Vorwurf, Althusmann habe in seiner Doktorarbeit Quellen nicht korrekt gekennzeichnet, genau zu prüfen.

Eine erste Stellungnahme von Althusmann habe den Verdacht nicht entkräftet, heißt es an der Hochschule. Damit wird der Kultusminister zu einer Belastung für die schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident David McAllister (CDU). Althusmann bemühte sich gestern noch einmal, das Heft des Handelns wenigstens ein Stück weit in der Hand zu behalten. Kaum hatte ihm der Dekan der Fakultät die Entscheidung zur förmlichen Prüfung der Vorwürfe durch eine fünfköpfige Professorenkommission zugestellt, ging der Kultusminister in Hannover vor die Presse: "Jede Unterstellung der Täuschung weise ich entschieden zurück, ich sehe der Prüfung gelassen entgegen." Er habe sich, so versicherte der 44-Jährige, an die an der Universität üblichen Zitierregeln gehalten. Dennoch hält er selbst das Ergebnis der Prüfung für "völlig offen".

Die Wochenzeitung "Die Zeit" hatte vor drei Wochen auf gleich zwei Seiten durch anonyme Quellen den Vorwurf massenhafter Plagiate öffentlich gemacht. Ähnlich wie Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat auch Althusmann seine Doktorarbeit neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter mit eigenem Wahlkreis angefertigt - und zwar von 2000 bis 2007. Allerdings geht es bei Althusmann nicht um den Vorwurf der wörtlichen Übernahme ganzer Textpassagen aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten. So ließen sich ungekennzeichnete Übernahmen an keiner Stelle für längere direkte Zitate nachweisen. Der Vorwurf gegen Althusmann lautet vielmehr, er habe "verschleiert kopiert", also Passagen fast wörtlich übernommen und dann lediglich allgemein in den Fußnoten mit den Begriffen "vergleiche" oder der entsprechenden Kurzform "vgl." auf solche Übernahmen verwiesen. Angesichts sehr unterschiedlicher Zitierregeln je nach Fachrichtung muss die Uni Potsdam nun abwägen.

Ausgerechnet der Uni-Chef, Professor Tobias Lettl, hat eines der deutschen Standardwerke über Urheberrecht geschrieben. Die Überprüfung der Dissertation zum Dr. rer. pol. über "Prozessabläufe in der Öffentlichen Verwaltung" kann Monate dauern. SPD, Grüne und Linksfraktion verstärken den Druck mit der Stoßrichtung, ein Kultusminister müsse wegen der Zuständigkeit für die Schulen eine besondere Vorbildfunktion einnehmen. In den ersten Tagen nach der Veröffentlichung der Vorwürfe war bei den drei Oppositionsparteien im Landtag noch so etwas wie Beißhemmung festzustellen gewesen, Althusmann gilt als umgänglich und sympathisch. Inzwischen aber werden auch wegen der am 11. September anstehenden Kommunalwahlen die Kommentare bissiger.

Als Althusmann gestern erhobenen Hauptes das Landtagsgebäude verließ, scharte sich wenige Meter entfernt gerade ein Pulk Journalisten um die SPD-Landtagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt. Sie diktierte den Medienvertretern in die Blöcke: "Die Verharmlosungsstrategie des Kultusministers ist nicht aufgegangen, er hat sein Gesicht verloren und sich bis auf die Knochen blamiert." Auch die Grünen-Abgeordnete Ina Korter bezeichnete einen unter Plagiatsverdacht stehenden Kultusminister als "nicht akzeptabel für die Schulen": "Ministerpräsident McAllister muss der Öffentlichkeit deutlich machen, wie er mit diesem Problem umgehen will."

McAllister steht zu seinem Kultusminister, kann jedoch nicht verhindern, dass erste Planspiele für den Fall eines Rücktritts öffentlich werden. Variante eins: Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) managt bis zur Landtagswahl zum Jahreswechsel 2012/2013 auch das Kultusressort. Variante zwei ist ein Ringtausch: Die Chefin der Staatskanzlei, Christine Harwighorst, könnte Kultusministerin werden, Althusmann dann Staatssekretär.