Messerangriff, Großfeuer, Sorgerechtsstreit. Im Alten Land tobt eine bittere Auseinandersetzung. Zentrale Figur ist eine Gastwirtin.

Jork. Ein fünfjähriges Mädchen steht im Mittelpunkt eines Dramas, das sich derzeit im Landkreis Stade abspielt. Es geht um Liebe und Geld, um Feuer und ein mutmaßliches Mordkomplott. Jüngster Akt in dem Drama: Das Amtsgericht Buxtehude verhandelte gestern über das Sorgerecht für das Mädchen aus Jork im Alten Land. Eine Entscheidung wird aber erst für heute erwartet. Die Fünfjährige ist die Tochter von Sandra T., der Besitzerin des ehemaligen Traditionslokals Altländer Hof, das in der Nacht zu Dienstag abbrannte. Sandra T. war erst vor 13 Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Sie soll in ein Mordkomplott gegen ihren ehemaligen Lebenspartner Andreas S. verwickelt sein - er ist der Vater des fünfjährigen Mädchens.

Der Anfang der Geschichte reicht zurück bis in den März dieses Jahres. In der Nacht zum 30. März sollen vier junge Männer aus Hamburg im Alter von 17, 24 und 31 Jahren ins Schlafzimmer von Andreas S. gestürmt sein. Der Wirt des Gasthofs Herbstprinz in Jork schlief gerade im Wohnhaus neben der Gaststätte. Der 51-Jährige wurde mit mehreren Messerstichen schwer verletzt, er überlebte den Anschlag nur knapp.

Im Laufe der Ermittlungen deutete sich an, dass die jungen Hamburger den Jorker Gastronom im Auftrag der 34-jährigen Sandra T. und ihres Geliebten, Herbstprinz-Koch Mike W., "aus dem Weg räumen" sollten. Im Mai wurden Sandra T. und ihre fünf mutmaßlichen Komplizen festgenommen, sie kamen zunächst in Untersuchungshaft.

Doch seit wenigen Tagen sind sie wieder frei. "Das Amtsgericht Stade hat die Haftbefehle gegen Sandra T. am 15. Juli und gegen Koch Mike W. am 22. Juli aufgehoben", sagt Kai Thomas Breas, Sprecher der Stader Staatsanwaltschaft. Begründung des Amtsgerichts: Man sehe keinen Tatverdacht wegen Anstiftung zum Mord. Man gehe davon aus, dass es sich bei der Messerattacke um gefährliche Körperverletzung gehandelt habe und dass bei Sandra T. keine Fluchtgefahr bestehe.

Bei ihrem mutmaßlichen Komplizen, dem Koch, habe man den Haftbefehl wegen "versuchten Mordes" in "Anstiftung zu schwerem Raub mit Körperverletzung" abgemildert. Auch zwei weitere der insgesamt sechs Tatverdächtigen sind wieder auf freiem Fuß. Die Stader Staatsanwaltschaft selbst geht allerdings weiterhin davon aus, dass es sich bei dem nächtlichen Überfall auf Andreas S. um versuchten Mord handelt.

Kurz nachdem Sandra T. aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, holte sie die gemeinsame Tochter am vergangenen Montag aus dem Kinderhort Tintenklecks in Jork ab. Davon habe Vater Andreas S. nichts gewusst. Er erzählt im Gespräch mit dem Abendblatt von einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Kinderhort, dass das Kind nur an ihn herausgegeben werden dürfe. Deshalb erhebt der 51 Jahre alte Gastronom schwere Vorwürfe gegen Amtsgericht und Kreisjugendamt Stade. Landrat Michael Roesberg: "Beide Eltern haben das Sorgerecht, das haben wir der Jorker Hortleiterin mitgeteilt."

Wer das Sorge- und wer wann Besuchsrecht erhält, will das Buxtehuder Amtsgericht heute entscheiden. Unterdessen haben die ohnehin schon brisanten Geschehnisse um Sandra T. noch mehr Zündstoff erhalten. Vor zweieinhalb Jahren hatte Sandra T. für etwas mehr als 100 000 Euro den historischen Altländer Hof ersteigert, der in der Nacht zu Dienstag niedergebrannt ist. Zur Ursache sagt die Polizei nichts. Wegen anhaltender Nachlöscharbeiten konnten die Brandermittler erst gestern Mittag ihre Arbeit aufnehmen.

Pikant ist die Geschichte rund um das ehemalige Traditionslokal dennoch, weil Sandra T. den Preis für die seit 2005 leer stehende Immobilie nie gezahlt hat. Das bestätigt Jürgen Wolfram, Rechtspfleger beim Amtsgericht Buxtehude. Weil der Kaufpreis nie überwiesen wurde, beantragte die Sparkasse Harburg-Buxtehude als Hauptgläubigerin eine Wiederversteigerung der 1758 erbauten Immobilie samt 1942 Quadratmeter großem Grundstück. Der neue Zwangsversteigerungstermin war für den 10. August angesetzt. Der Verkehrswert für das Objekt lag bei 201 000 Euro.

Doch jetzt ist es wohl kaum noch etwas wert. Das etwa 35 Meter lange und 15 Meter breite denkmalgeschützte Gebäude brannte bis auf wenige Restmauern nieder. "Es ist sehr schade, dass dieses schöne Gebäude völlig verbrannt ist", sagt Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann sichtlich betroffen.

Sandra T. hatte große Pläne, als sie das Traditionshaus vor etwa zweieinhalb Jahren ersteigerte. Sie wollte den Altländer Hof sanieren und für Großveranstaltungen nutzen. Von dieser Euphorie war gestern nicht mehr viel zu sehen. Sichtlich mitgenommen verließ sie in Jeans und einem Mickymaus-Oberteil unter einem karierten Mantel das Gerichtsgebäude in Buxtehude.

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