Ursache für die Panne waren Kraftwerksausfall und ein technischer Defekt. Altenheime und Kliniken wurden durch Notaggregate geschützt.

Hannover. Gelegenheit macht Diebe: Als im gesamten Großraum Hannover am Mittwochabend der Strom ausfiel, brachen im Stadtteil Roderbruch Unbekannte in mehrere Geschäfte ein, stahlen Zigaretten. Trotzdem ist die Bilanz nach dem größten Blackout in Norddeutschland seit Jahrzehnten erstaunlich positiv: "Gott sei Dank", so die fast wortgleiche Auskunft von Sprechern der Kliniken, der U-Bahn, von Polizei und Feuerwehr, "kam niemand zu Schaden."

Ausgangspunkt für den Stromausfall für rund 600.000 Menschen in der Stadt und Region Hannover um 22.34 Uhr waren zwei aufeinanderfolgende Störungen: Erst fiel im Kraftwerk Hannover-Stöcken ein Block aus, dann gab es einen technischen Defekt im Umspannwerk Mehrum, als die Techniker die Netzstabilität durch zusätzliche Stromeinspeisung retten wollten: Blackout. Nach neun Minuten war der erste Stadtteil wieder am Netz, nach knapp eineinhalb Stunden, um 23.55 Uhr der letzte.

Bei Polizei, Feuerwehr und lokalem Stromversorger Enercity liefen die Telefondrähte heiß (sie funktionierten im Gegensatz zu Privathaushalten dank Notstromversorgung), die Handy-Netze waren überlastet. Glück im Unglück: Von den für die Nacht vorhergesagten schweren Unwettern blieb die Landeshauptstadt verschont. Und auch die Autofahrer tasteten sich mangels funktionierender Ampeln vorsichtig an die großen Kreuzungen heran. So konnten sich die rund 350 eingesetzten Helfer von Feuerwehr und Rettungsdiensten darauf konzentrieren, Pflegeheime mit Notstromaggregaten zu versorgen, da etwa Geräte zur Beatmung nur kurze Zeit mit Akkus betrieben werden können. Knapp ein Dutzend Menschen wurden aus steckengebliebenen Aufzügen befreit. Immer wieder flackerte gespenstisch das Blaulicht durch die dunklen Straßen, zahlreiche Brandmelder waren durch den Spannungsimpuls aktiviert worden - oder gaben Fehlermeldungen.

An der Medizinischen Hochschule Hannover gab es zwar am zentralen Versorgungsgebäude Rauchwolken, aber es war kein Brand, sondern die Abgase der riesigen Notstromaggregate. Die sprangen beim Stromausfall binnen einer Minute an und versorgten mit ihren sechs Megawatt (entspricht über 8000 PS) den Gebäudekomplex der größten norddeutschen Klinik mit an diesem Abend 1445 Patienten. "Gott sei Dank", so Klinik-Sprecher Stefan Zorn, fand im Moment des Stromausfalls keine Operation im wichtigsten deutschen Transplantationszentrum statt. Und auf den Intensivstationen sind alle lebenswichtigen Geräte mit einem Akku versehen, der zuverlässig die Zeit überbrückt, bis die Schiffsdieseln ähnelnden Notstromaggregate hochgefahren sind. Auch die Computer der Kliniken sind heutzutage mit Notprogrammen ausgestattet, die die Systeme vor einem unkontrollierten Absturz schützen. "Gott sei Dank", sagte auch Udo Iwannek von der Üstra, dem hannoverschen Nahverkehrsunternehmen: "Keine einzige U-Bahn blieb in den Tunneln stecken." Auch die Notbeleuchtung in den unterirdischen Stationen habe funktioniert, und die Aufzüge seien so programmiert, dass sie mit Notstrom noch zur nächstgelegenen Etage fahren und automatisch die Türen öffnen.

Für Kinobesucher gab es Gutscheine, für Taxifahrer war der Stromausfall ein kleines Konjunkturprogramm. Wer früh ins Bett gegangen war, bekam vom Stromausfall nur mit, dass am nächsten Morgen der elektrische Wecker verrücktspielte oder auch das Display des Küchenherds blinkte. Wer dagegen noch wach war und auf die Straße ging, der sah hinter zahllosen Fenstern das flackernde Licht von Kerzen, in den Lokalen Kellner, die wieder den kleinen Schreibblock benutzten, um mit den Gästen abzurechnen. Vor dem Zaza, einer angesagten Diskothek in der Innenstadt, standen die jungen Leute, und die Meinungen waren geteilt. "Voll unheimlich", fand die 22-jährige Franziska die Situation, aber eine Hundebesitzerin konnte dem Blackout auch gute Seiten abgewinnen: "Ich finde, dass es in der heutigen Zeit an Stille und Dunkelheit fehlt."

Der Energieversorger drückte sein Bedauern aus für die "Großstörung" und versprach, man werde alles tun, um die Ursachen für den Blackout zu finden. Mit Beginn der Frühschicht liefen die Bänder wieder rund im Volkswagenwerk für Nutzfahrzeuge, beim Reifenhersteller Continental kratzten sie da noch erkaltete Gummimasse aus den Maschinen. Die Stadtwerke richten sich auf eine langwierige Ursachensuche ein. Es könne bis zu 20 Tage dauern, bis der Auslöser für die Doppel-Panne in einer Umspannstation und einem Kraftwerk ermittelt sei, teilte ein Sprecher der Stadtwerke am Freitag mit.