300 Teilnehmer eines Diabetiker-Camps sind in Bad Segeberg an Brechdurchfall erkrankt, 143 mussten in Krankenhäusern behandelt werden.

Bad Segeberg. Das Norovirus ist Auslöser des Brechdurchfalls in einem Zeltlager in Bad Segeberg gewesen. Bei rund 30 Patienten sei der extrem ansteckende Erreger inzwischen nachgewiesen, teilte das Gesundheitsamt des Kreises Segeberg am Montag mit. Bereits am Sonntagnachmittag habe das Virus als Ursache der Erkrankung festgestanden, nachdem ein noch empfindlicher Spezialtest das Virus bei vier Patienten nachgewiesen habe, heißt es in der Mitteilung. Am Wochenende waren rund 300 Teilnehmer und Betreuer eines Diabetiker-Camps in Bad Segeberg an Brechdurchfall erkrankt, 143 mussten in Krankenhäusern behandelt werden.

Die meisten von ihnen seien inzwischen wieder entlassen, sagte die Sprecherin des Camp-Veranstalters, Marie-Luise Krompholz. Genaue Zahlen darüber, wie viele der Erkrankten am Montag noch in Krankenhäusern behandelt wurden, lagen weder dem Campveranstalter noch dem Kreis Segeberg vor. „Für unsere weiteren Ermittlungen ist das unerheblich“, sagte der Amtsarzt des Kreises, Boris Friege. Nach seinen Angaben sind jedoch alle Infektionen glimpflich verlaufen, Komplikationen gab es nicht.

Auf dem Landesturnierplatz in Bad Segeberg war am Montag wieder Ruhe eingekehrt. Die Zelte waren abgebaut, die Spuren des Großeinsatzes der Rettungskräfte beseitigt. „Wir organisieren jetzt die Heimreise für die wenigen Teilnehmer, die noch in Krankenhäusern sind“, sagte Krompholz. In dem von zwei Pharmaunternehmen organisierten Camp hatten 520 junge Diabetiker zwischen 16 und 25 Jahren eine mehrtägige Freizeit verbracht. Sie kamen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Am Sonnabendabend hatten die ersten 30 über Übelkeit, Erbrechen und Durchfall geklagt. Über Nacht hatte sich die Erkrankungswelle dann rasant ausgebreitet, am Sonntagmorgen zeigten rund 200 Camp-Teilnehmer und Betreuer Symptome.

„Wir hatten ja rund 100 diabetologisch geschulte Betreuer vor Ort, darunter 20 Ärzte und Notärzte. Dadurch konnten wir schnell handeln“, sagte Krompholz. Diese Einschätzung bestätigte der Kinderdiabetologe Paul-Martin Holterhus von der Universitätskinderklinik Kiel. „Bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes gerät der Insulinhaushalt durch den Flüssigkeitsverlust leicht durcheinander. Deshalb war es richtig, sie in Krankenhäuser zu bringen“, sagte er. Die vier auf seiner Station behandelten Jugendlichen seien inzwischen wieder wohlauf, sagte er.

Das Gesundheitsamt des Kreises Segeberg sucht jetzt nach der Quelle des Virus. „Wir überprüfen den Caterer, der das Essen für das Camp geliefert hat. Aber das Virus kann genauso gut durch einen der Teilnehmer eingeschleppt worden sein“, sagte Friege. Es verbreite sich nicht nur durch Schmierinfektionen, sondern auch durch Tröpfcheninfektionen, etwa durch Niesen, Husten oder Erbrechen.

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Mitten in der Nacht macht sich Unruhe im Zeltlager auf dem Landesturnierplatz der Reiter in Bad Segeberg breit. Von Stunde zu Stunde klagen mehr der 750 Teilnehmer des viertägigen Jugendcamps ("Camp D"), das von den Pharmaunternehmen Novo Nordisk und Bayer Vital GmbH veranstaltet wird, über Magenkrämpfe und Durchfall, kämpfen gegen Übelkeit und müssen sich plötzlich übergeben. Dutzende Rettungskräfte treffen ein, transportieren die Betroffenen in Kliniken der Region. Das unter der Tribüne eingerichtete Organisationsbüro der Veranstaltung für 16- bis 25-jährige Diabetiker wird kurzerhand in ein Krankenlager umfunktioniert.

Mehr als 200 Teilnehmer des Diabetes-Camps litten in der Nacht zu Sonntag unter schweren Brechdurchfällen. Neben zahlreichen Rettungswagen aus Schleswig-Holstein, die zum Einsatzort an der Eutiner Straße gerufen wurden, schickte auch die Feuerwehr aus Hamburg ihren Großraumrettungswagen nach Bad Segeberg. 144 Erkrankte mussten in 20 verschiedenen Krankenhäusern in Norddeutschland behandelt werden. Auch in Hamburger Kliniken, etwa in den Asklepios-Kliniken in Altona und Barmbek, wurden jugendliche Patienten eingeliefert.

Lebensbedrohlich erkrankt ist offenbar niemand. Die Erkrankung verläuft meist kurz und heftig und klingt nach zwei, drei Tagen wieder ab. Am Sonntagmittag erhielt Jutta Hartwieg, die Landrätin und oberste Katastrophen-Chefin des Kreises Segeberg, die Nachricht, dass Schnelltests unter allen Patienten insgesamt vier Verdachtsfälle ergeben hätten. Diese bestätigten sich nun.

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"Die meisten der in Krankenhäusern eingelieferten Patienten sind bereits wieder entlassen worden", sagte Marie-Luise Krompholz, Sprecherin des Insulin-Weltmarktführers Novo Nordisk. "Wir sind sehr froh, dass alles so glimpflich ausgegangen ist." Ein großer Vorteil sei gewesen, dass an der Veranstaltung für jugendliche Diabetiker aus dem ganzen Bundesgebiet ohnehin 20 Ärzte und zwei leitende Notärzte teilnahmen.

Einer davon war Til Rendschmidt, ein Arzt der medizinischen Abteilung des Insulin-Herstellers. "Wir konnten schnell eingreifen, hatten die Situation dann rasch im Griff", sagte er.

Einen anderen Verlauf des Zeltwochenendes hätte sich auch Marcel Grimm, einer der an Diabetes erkrankten Teilnehmer, gewünscht. "Aber nächstes Mal bin ich trotzdem wieder dabei", sagte der 18-jährige Gießereimechaniker aus Barleben. "Das Camp hat richtig Spaß gemacht, und bis Sonnabend waren alle gut drauf." Einen Schreck bekommen habe er, als sich sein Zeltnachbar gegen halb vier nachts plötzlich erbrochen habe. "Ich bin davon wach geworden und habe einen Betreuer zu Hilfe geholt", erinnert sich der junge Mann. "Überall liefen Rettungskräfte umher und transportierten Kranke ab. Ich bin froh, dass es mich nicht erwischt hat."

Am späten Sonnabendnachmittag war den Ersten der 520 Jugendlichen und der 230 Betreuer und Helfer schlecht und schwindelig geworden. Innerhalb kurzer Zeit war die Zahl der Erkrankten rasant gestiegen. Oberfeuerwehrmann Dennis Schubring, der als Rettungsassistent beim Deutschen Roten Kreuz tätig ist, war der Erste, der mit seinem Rettungswagen gegen 23.30 Uhr auf dem Landesturnierplatz eintraf. "Mit meinem Kollegen habe ich nacheinander 15 Menschen in die umliegenden Krankenhäuser gebracht", sagt er. "Sie waren erschöpft, klagten über Unwohlsein und übergaben sich." Neben Sanitätern aus Bad Segeberg waren auch Kollegen aus den Kreisen Pinneberg, Steinburg, Dithmarschen und Stormarn im Einsatz.

Das Zeltlager "Camp D", das nach 2006 und 2008 jetzt zum dritten Mal veranstaltet wurde, ist für an Diabetes erkrankte Jugendliche im Alter zwischen 16 und 25 Jahren gedacht. In diesem Jahr waren 520 junge Menschen nach Bad Segeberg gekommen, um Tipps zum Umgang mit dieser Stoffwechselkrankheit zu bekommen.

Mit Material von dapd und dpa