Kultusminister Althusmann gibt “handwerkliche Fehler“ in seiner Dissertation zu. Der Dienstherr der niedersächsischen Lehrer will im Amt bleiben.

Hannover. Jetzt muss sich auch der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) mit dem Vorwurf herumschlagen, seine Doktorarbeit sei ein Plagiat. Althusmann, der im CDU-FDP-Kabinett in Hannover eine führende Rolle spielt, hat bereits "handwerkliche Fehler" eingeräumt: "Dafür entschuldige ich mich."

Aber der Diplomvolkswirt, Dienstherr von rund 70 000 Lehrern, hat auch klargemacht, dass er um Amt und Reputation kämpfen will: "Ich habe meine Arbeit nach bestem Wissen und den mir bekannten Zitierstandards angefertigt." Er habe Ministerpräsident David McAllister (CDU) bereits am Vorabend über die Vorwürfe informiert: "Ich habe entschieden, dass dies eine Krise ist, die ich durchzustehen habe."

Öffentlich gemacht hat die Vorwürfe die Wochenzeitung "Die Zeit". Danach besteht die insgesamt 290 Seiten lange Dissertation zu großen Teilen aus verschleierten Zitaten und dementsprechend wenig eigenen Gedanken des Ministers. Die Sache aber ist weniger eindeutig als beim damaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin. Es geht nicht um das wörtliche Abschreiben ganzer Passagen aus fremden Texten ganz ohne Hinweis und auch nicht darum, dass er etwa die Arbeit wissenschaftlicher Einrichtungen als eigene Arbeit ausgegeben habe.

+++ Reaktionen aus Althusmanns Lüneburger Heimat +++

Bernd Althusmann hat die Arbeit im Jahr 2000 begonnen und 2007 an der Universität Potsdam eingereicht. Es geht in der Dissertation um Prozessorganisation in der öffentlichen Verwaltung. Er erhielt dafür die Note "rite" - befriedigend.

Umstritten ist, ob er sich die Sache zu leicht gemacht hat, indem er bei Übernahme fremder Gedanken auf den Urheber lediglich mit der Nennung der Person und dem Kürzel "vgl" (vergleiche) hinweist. Hier wird die Universität nun zu prüfen haben, ob all diese herangezogenen Quellen regelgerecht hätten zitiert werden müssen, was die Abgrenzung zwischen Althusmanns eigenen Gedanken und dem herangezogenen Gedankengut leichter gemacht hätte. Das Ergebnis soll in vier Wochen vorliegen.

Der 44 Jahre alte Minister ist auch deshalb exponiert, weil er turnusmäßig auch Vorsitzender der Kultusministerkonferenz ist. Die SPD-Opposition im Landtag hat ihn aufgefordert, dieses Amt ruhen zu lassen. Die SPD-Abgeordnete Frauke Heiligenstadt will vor allem wissen, ob Berichte zutreffen, wonach sich der Minister "einer besonders trickreichen Variante der Verschleierns der Verwendung fremden geistigen Eigentums bedient haben soll".

Prominente Plagiats-"Opfer":

KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG (CSU) – In der Doktorarbeit des damaligen Verteidigungsministers wurden im Februar Plagiate entdeckt. Wenig später erkannte ihm die Uni Bayreuth den Doktortitel ab. Nach heftigen Protesten der Opposition und in der Bevölkerung trat Guttenberg im März von seinen Ämtern zurück. Die Uni Bayreuth erklärte in ihrem Abschlussbericht, dass der CSU-Politiker vorsätzlich getäuscht habe. Nach dem Fall zu Guttenberg haben sich im Internet unzählige Menschen zusammengetan und Doktorarbeiten von weiteren Prominenten auf Plagiate durchsucht.

SILVANA KOCH-MEHRIN (FDP) – Rund 120 Stellen in der Doktorarbeit der Europapolitikerin waren ohne Angaben der Quelle abgeschrieben. Die Universität Heidelberg entzog ihr deshalb im Mitte Juni ihren Doktortitel. Koch-Mehrin war bereits im Mai nach Bekanntwerden der Vorwürfe von ihre Posten als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und als Vizepräsidentin des Europaparlaments zurückgetreten. Nach der Aberkennung ihres Doktortitels geriet sie dann noch einmal in die Schlagzeilen, als sie überraschend Vollmitglied im Forschungsausschuss des EU-Parlaments wurde. Nach massivem Protest aus der Wissenschaft gab sie schließlich auch diesen Posten ab.

JORGO CHATZIMARKAKIS (FDP ) – Der Europaabgeordnete wehrt sich derzeit gegen die mögliche Aberkennung seines Doktortitels. Nachdem im Internet Plagiats-Vorwürfe laut geworden waren, prüft nun die Universität Bonn Chatzimarkakis Dissertation. Eine Entscheidung über die Aberkennung des Doktortitels gibt es noch nicht. Der FDP-Politiker betont, er habe keinen einzigen Text aus einem Werk übernommen, das er nicht erwähnt habe.

DIETER JASPER (CDU) – Der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete wurde Anfang Mai zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt, weil er einen Doktortitel zu Unrecht geführt hat. Jasper hatte den Doktortitel der Wirtschaftswissenschaften 2004 an einer Universität in der Schweiz erworben, die gegen Geld akademische Grade vergeben soll. Im Wahlkampf hatte der CDU-Kandidat mit diesem Titel auf Plakaten und Broschüren geworben.

KAI SCHÜRHOLT (CDU) – Der Oberbürgermeisterkandidat der Landauer CDU hatte sich 2007 im Wahlkampf mit einem Doktortitel geschmückt, obwohl er seine Promotion noch längst nicht abgeschlossen hatte. Als der Schwindel aufzufliegen drohte, erfand Schürholt eine Tumorerkrankung, um aus dem Wahlkampf in der rheinland-pfälzischen Kommune aussteigen zu können. Das Amtsgericht Landau verurteilte den studierten Theologen im Juni 2009 wegen Titelmissbrauchs zu einer Geldstrafe von 7500 Euro.