Gründer Niels Stolberg hat sich beurlauben lassen. Der Finanzinvestor Oaktree übernimmt die Führung. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt.

Bremen. Ihm schien immer alles zu gelingen. 1998 setzte er sein erstes Schiff in Fahrt, gut zehn Jahre später gehörte er zu den größten Anbietern für Transport von schweren Anlageteilen für Kraftwerke oder Brücken. Niels Stolberg, der Mitte der 80er-Jahre selbst als Kapitän zu See gefahren war, schaffte es in wenigen Jahren zum Weltmarktführer unter den Schwergutreedern. Der 50-Jährige stieg ins Tourismusgeschäft auf Spiekeroog ein, saß im Aufsichtsrat von Werder Bremen und machte sich einen Namen, weil er seine Frachter wieder mit Segeln ausrüstete, um Treibstoff zu sparen. Der Wirtschaftsingenieur schreckte auch nicht davor zurück, seine Meinung zu sagen. Zuletzt kritisierte er die Bundesregierung und internationale Organisationen, weil sie seiner Meinung nach seine Schiffe nicht effizient genug vor Piraten geschützt hätten.

Nun hat sich Stolberg plötzlich beurlauben lassen. Er ist nicht mehr Herr im eigenen Haus, obwohl ihm noch 50,5 Prozent des Unternehmens mit 72 Schiffen gehören. Die Führung der von Stolberg gegründeten Reederei, deren Zentrale er auf die Spitze einer Weserinsel mitten in der Innenstadt gesetzt hat, hat vorerst Roger Iliffe übernommen. Er kommt vom US-Finanzinvestor Oaktree, der die anderen 49,5 Prozent an dem Unternehmen hält. Iliffe war kurz nach dem Einstieg der Amerikaner im Juli 2010 von dort zu Beluga gewechselt. Auch der neue Finanzchef Michael Maynard, der erst wenige Tage im Unternehmen ist, kommt von Oaktree. Zudem hat die Reederei mit Jörg Röhl inzwischen einen neuen Vertriebschef. Stolberg soll sich nach seinem Rückzug am Donnerstag an einem unbekannten Ort aufhalten. Neben ihm wurden auch weitere führende Mitarbeiter vom Dienst suspendiert. Damit sollen die personellen Veränderungen aber noch nicht abgeschlossen sein.

Wie ernst die wirtschaftliche Lage der Reederei mit derzeit 72 Schiffen ist, blieb am Freitag offen. "Beluga untersucht gegenwärtig mutmaßliche erhebliche finanzielle Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Umsatz und Liquidität", räumte die Sprecherin von Oaktree ein. "Die Lage ist angespannt. Wir sind davon betroffen, dass zu viele Frachter angeboten werden und die Transportmenge zurückgeht", sagte Reederei-Sprecherin Verena Beckhusen. Beluga und Oaktree wollen nun auf Gläubiger zugehen, um über die Zukunftssicherung des Unternehmens zu sprechen.

Noch im Dezember hatte Stolberg gegenüber dem Abendblatt auf einen Gewinn für 2010 verwiesen, ihn aber nicht beziffert. Seine Schwergutschiffe, die weltweit Anlagen und Maschinen transportieren, sollen jedoch 40 Millionen Euro eingefahren haben. "Ein Jahresabschluss liegt noch nicht vor. Wir rechnen mit 500 Millionen Euro Umsatz für 2010", sagte Beckhusen. 2009 hatte Beluga 415 Millionen Euro eingenommen und 20 Millionen Euro verdient. In Bremen sind 500, international weitere 100 Mitarbeiter beschäftigt. Dazu fahren 1500 Seeleute für Beluga.

Bei der Reederei hofft man nun, bis Ende des Monats Klarheit über die Zukunft zu haben. Dabei steuert der Finanzinvestor Oaktree, der nicht nur Gesellschafter, sondern auch Kreditgeber von Beluga ist, offensichtlich darauf zu, die Mehrheit der Reederei zu übernehmen. Derzeit halten die Amerikaner 49,5 Prozent, können aber - mit Erlaubnis des Bundeskartellamtes - aufstocken. Ob dies geschehe, sei noch nicht entschieden, sagte die Oaktree-Sprecherin.

Am Freitag war Stolberg, der 2006 als Bremer Unternehmer des Jahres geehrt wurde, nicht zu erreichen. Wann er aus dem Urlaub zurückkommen und welche Rolle er künftig bei Beluga spielen könnte, konnte niemand sagen.