Mit neuen Betreibern steigt die Einwohnerzahl in Hohenfelde um zehn Prozent. Familie aus Krummbeck betreibt jetzt das Traditionshaus.

Hohenfelde. Einer der kleinsten Orte Schleswig-Holsteins, Hohenfelde in der Nähe von Trittau, ist ohne seinen Gasthof nicht denkbar. Und der Gasthof nicht ohne Hohenfelde. Seit 176 Jahren ist es Rathaus, Begegnungsstätte, Kneipe, Treff für Feiern und Feierabend. Hohenfeldes Zukunft war in Gefahr - und ist nun gesichert. Heinrich Stahmer, der Bürgermeister, konnte Neubürger für das Dorf gewinnen: Die Familie Löwel hat seinen Gasthof gepachtet - Gasthof Stahmer.

Der ist für Hohenfelde im Kreis Stormarn alles in einem: größte Sehenswürdigkeit, einziger, also auch größter Gewerbesteuerzahler und Ort der politischen Entscheidungen. Hätten die Wirtsleute Gertrud und Heinrich Stahmer keinen Nachfolger gefunden, hätte der Ort mit seinen 55 Einwohnern seinen Mittelpunkt verloren.

Hohenfelde lebt - und wächst. Seit Anfang Mai sind Katja und Jan Löwel, beide 35, für den Traditionsgasthof zuständig. Drei Kinder haben sie mitgebracht, die Einwohnerzahl haben sie so auf schwindelerregende 60 hochgetrieben. Klappt die Integration? "Es ist gut gelaufen, wir können uns nicht beschweren", sagt Jan Löwel. "Wir haben eine überschaubare Sache gesucht, die zu unserer kleinen Familie passt", sagt seine Frau Katja. "Das hier ist genau richtig."

"Das hier" ist eine Institution. Der Gasthof, mitten im Hahnheider Forst gelegen, ist das älteste Ausflugslokal im Amt Trittau. Viele Hamburger Wanderer kehren hier an schönen Wochenenden ein. Die Gaststube wirkt gemütlich mit dem Holzfußboden, den halbhoch getäfelten Wänden und den weiß gedeckten Tischen. In der Diele tickt eine Standuhr. Zur vollen Stunde lassen die tiefen, durchdringenden Schläge das Parkett vibrieren.

+++ "Kramer's Gasthof": Ländliche Gemütlichkeit +++

Draußen auf dem grünen Rasen stehen richtige Gartenstühle - und nicht etwa Stapelbares aus Plastik. Hier gibt es weder eine Lounge noch eine Chill-out-Area. Vielleicht kann man sich gerade deshalb so gut erholen.

Die Löwels kommen aus Krummbek in der Nähe von Kiel. Sie sind vom Fach. Jan Löwels Eltern gehört Witts Gasthof in dem 250-Seelen-Dorf. Sie hat im Service gearbeitet, er in der Küche. Irgendwann wollten sie dann etwas Eigenes. Aber bei den Witts herrscht "Jüngstenrecht": Der jüngste Nachkomme erbt den Gasthof. Und Jan Löwel ist der Älteste der drei Geschwister. Also raus in die Welt, nach Hohenfelde

Bei den Stahmers war die Situation ganz anders. Zwei Kinder haben Gertrud, 60, und Heinrich, 70. Aber Gastwirt wollte keiner von beiden werden. "Der Sohn macht die Landwirtschaft", sagt der Bürgermeister. "Und die Tochter ist mit einem Ingenieur verheiratet." Was für sich genommen kein Hinderungsgrund wäre. Deshalb ergänzt Stahmer mit spürbarer Freude am Scherz: "Und Ingenieure haben Freitagnachmittag Feierabend."

Als Gastwirt ist das nicht drin. "42 Jahre haben wir den Gasthof gemacht", sagt Stahmer: "Keinen Sonnabend und Sonntag frei!" Was also tun, wenn man nach 42 Jahren endlich mal die Wochenenden für sich haben möchte? Man geht zum Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und lässt sich einen Pächter vermitteln. Und findet, wenn man Glück hat, die Löwels.

Seit Januar wohnen sie schon in Hohenfelde, zunächst in einer Ferienwohnung. Ihre erste Gemeindeversammlung haben sie schon hinter sich. In dem kleinen Dorf herrscht Urdemokratie. Alle Einwohner entscheiden gemeinsam, wofür die Steuereinnahmen ausgegeben werden. Im Gasthof Stahmer könnten die Piraten lernen, was transparente Politik ist. Denn die Gemeindeversammlungen finden natürlich im Gasthof statt - wo sonst?

Geleitet werden die Sitzungen vom Bürgermeister. Stahmer ist erst seit elf Jahren im Amt. Sein Vorgänger, Ulrich Meyer, hatte es auf 52 Jahre gebracht. Im Jahr 2001 starb er 86-jährig. Da war er immer noch Bürgermeister. Die treuen Hohenfelder hatten alle vier Jahre von Neuem für Ulrich Meyer votiert. Der hatte das Gemeindeleben durch originelle Aktionen bereichert. Er führte die Regel ein, dass jedes Hohenfelder Kind bei der Geburt ein Sparbuch mit - damals - 100 Mark bekam. Er trat der Vereinigung der schleswig-holsteinischen Kleinstgemeinden bei und war jahrelang ihr Sprecher. Damit machte er Hohenfelde gewissermaßen zur Hauptstadt der Dörfer. Und er baute Partnerschaften mit Gemeinden in Frankreich, Dänemark und Finnland auf. Das brachte ihm den Spitznamen "Europa-Meyer" ein.

Dort, wo er immer wiedergewählt worden ist, wohnen nun die Löwels. Gertrud und Heinrich Stahmer sind ins Altenteilerhaus gezogen. Was nicht bedeutet, dass sie den Gasthof meiden. Der Bürgermeister hat dort weiter seinen Stammtisch. Seine Frau, die im Gasthof gekocht hat, hilft gern aus. "Es ist gut, wenn man noch ein bisschen gebraucht wird", sagt sie.

Ein paar Tipps ist sie schon losgeworden. Schließlich kann jemand aus Krummbek unmöglich wissen, was der Hohenfelder mag und was dem Hamburger schmeckt. "Anfangs habe ich immer ganz viele Salzkartoffeln vorbereitet", erzählt Jan Löwel. "Da hat Frau Stahmer nur gesagt: 'Was wollen Sie damit? Hier gibt's Bratkartoffeln.'" In Krummbek sei das ganz anders, meint Löwel. "Hier isst man ja sogar zum Spargel Bratkartoffeln", staunt der neue Chef des Gasthofs Stahmer. Er hat die Speisekarte mit den Klassikern - Bauernfrühstück, hausgemachtes Sauerfleisch - um eine Tageskarte fürs Wochenende erweitert. Ungewöhnlichstes Gericht: warme Entenkeule süßsauer. Das hat Löwel aus seiner Heimat mitgebracht und hier, sicherheitshalber, mit Bratkartoffeln kombiniert. "Die Leute wollen ehrliche Sachen", findet er. Das Urteil von Gertrud Stahmer über Löwels Künste ist glasklar: "Kochen kann er einfach."