Eröffnung der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg voller politischer Anspielungen. 7500 Zuschauer feiern “Winnetou II“

Bad Segeberg. Winnetou rückt die historischen Verhältnisse ein wenig zurecht: Zumindest die Besucher der Segeberger Karl-May-Spiele wissen jetzt, wer die einst gesetzlich festgeschriebene Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung in den Südstaaten der USA aufgeweicht und verändert hat. Der Apachenhäuptling selbst sorgte dafür, dass ein schwarzes Mädchen und ein weißer Junge zueinanderfinden. "Die Farbe der Haut darf der Liebe nicht im Weg stehen", deklamierte Erol Sander während der Premiere der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg. In "Winnetou II" reitet der beliebte TV-Darsteller schon im sechsten Jahr als edler Indianerhäuptling durch die Arena des Freilichttheaters am Kalkberg.

Zur Eröffnung hatte Schleswig-Holsteins neuer Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in Jeans und Pulli Schüsse aus einem (Spielzeug-)Colt abgefeuert. "Der große schwarze Vater lässt schön grüßen", rief Albig in Anspielung auf seinen Amtsvorgänger, den langjährigen CDU-Landesvater Peter Harry Carstensen. "Der kann nicht mehr, der ist jetzt bei den Bienen!" Und auch der Bad Segeberger Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD) hat noch eine Indianeranspielung parat: "Jetzt kämpfen die Roten wieder für das Gute!"

7500 Besucher erlebten am Sonnabend ein Karl-May-Spektakel mit den bekannten und beliebten Zutaten: viel Action, viel Humor, etwas Liebe und jede Menge Spannung. Hinzu kommt in dieser Saison ungewöhnlich viel Musik - aus besonderem Grund: Die Schauplätze von "Winnetou II" sind New Orleans und Mexiko. Damit die Zuschauer immer auf der Höhe des Geschehens bleiben und die Orte auseinanderhalten können, marschiert während der New-Orleans-Szenen eine kleine Jazzband auf, in Mexiko hingegen erklingt Mariachi-Musik. Das mag historisch ungenau sein - der Jazz war 1865, unmittelbar nach Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, noch nicht erfunden - sorgt aber für eine schwungvolle Belebung der Inszenierung von Regisseur Norbert Schultze jun. Und schließlich hat es Karl May mit der Wahrheit auch nie ganz genau genommen.

Winnetou und Old Shatterhand (Joshy Peters) jagen den Erzschurken Santer (Timothy Peach), der Winnetous Vater und Schwester umgebracht hat. Die wilde Jagd geht von New Orleans nach Mexiko und umgekehrt und endet schließlich mit vielen Explosionen in einer Goldmine, die sich der gerissene Santer natürlich auf illegale Weise unter den Nagel gerissen hat.

Der farbige Massa Bob (Mola Adebisi) betreibt in New Orleans einen Saloon, Voodoo-Priesterin Marie Laveau (Dunja Rajter) einen Hokuspokus-Laden und Dr. Traugott Murksheimer (Frank Roder) aus Sachsen bietet seinen Klienten eine Komplettversorgung. Er ist Arzt und Bestatter. "Und meine Doktorarbeit habe ich selbst geschrieben", versichert er glaubhaft.

Karl-May-Bühnenautor Michael Stamp hat sich darauf spezialisiert, aktuelle Tagesereignisse in seine Texte einzuweben. Da wird der Euro-Rettungsschirm und der Rubikon zitiert , der Comanchen-Häuptling Weißer Biber muss natürlich für einen "Justin-Bieber-Gag" herhalten, Kassenpatienten erscheinen mit einer Registrierkasse unter dem Arm bei ihrem Doc, und Massa Bob blickt ein wenig in die Zukunft, als er die Szene kommentiert, in der ein weißer Cowboy von einem schwarzen Saloon-Angestellten zum Ausfegen genötigt wird: "Daran müsst ihr euch gewöhnen, eines Tages wird einer von uns Schwarzen Präsident der Vereinigten Staaten sein."

Ein afrikanischer Schreiseeadler und ein Falke schaffen Punktladungen auf Kommando in der Freilichtarena, die vielen Pferde scheuen auch bei lautestem Getöse und Geknalle kein bisschen, ein junger Uhu blickt auf dem Arm von Dunja Rajter völlig unaufgeregt in die Runde - bei "Winnetou II" haben Jung und Alt ihren Spaß. Der Zuschauerraum wird als zusätzliche Spielfläche genutzt, Winnetou und Old Shatterhand sind zum Greifen nah.

Mag das ganze Spiel um Intrigen und Schurkereien wegen der wechselnden Schauplätze auch etwas verwirrend sein, so wird die 61. Karl-May-Saison sicher wieder ein finanzieller Erfolg. "Wir erwarten über 300 000 Besucher", sagt Geschäftsführerin Ute Thienel. Einen Rekord gibt es ganz bestimmt: Im Laufe der nächsten Wochen erwartet die Kalkberg GmbH den Zehnmillionsten Besucher seit Gründung der Karl-May-Spiele im Jahr 1952.

"Winnetou II" wird bis zum 2. September donnerstags, freitags und sonnabends um 15 und 20 Uhr, sonntags um 15 Uhr gespielt. Karten zwischen 10,50 und 25 Euro. Tickethotline: 01805/95 21 11