Die Deutsche Marine hat einen Mast für das Training an Land aufgestellt - als Lehre aus einem tödlichen Sturz, der eine Affäre auslöste

Flensburg. Die Zukunft ist ockerfarben. Es ist die Farbe des neuen Übungsmastes für die Kadetten der Marineschule Mürwik in Flensburg. Seine Einrichtung ist eine der Konsequenzen der Marine aus dem wohl schlimmsten Jahr des Segelschulschiffes "Gorch Fock". Die Affäre um tödliche Unfälle und angebliche Schikane prägte das Jahr 2011. Das Ausbildungskonzept wurde überarbeitet. Der Übungsmast soll in Zukunft helfen, die körperliche Eignung von Kadetten zu beurteilen und verbessern.

Am Donnerstag wurde der kleine Bruder des "Gorch-Fock"-Mastes offiziell an die Marineschule übergeben. Mit dem Mast könne man den Schutzanspruch gegenüber den Offiziersanwärtern in besonderer Weise erfüllen, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP). Der Kommandeur der Marineschule Mürwik, Flottillenadmiral Thomas Josef Ernst, bezeichnete den Mast als "wesentlichen Baustein" im Rahmen der Verbesserung der Ausbildung.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), sagte in Flensburg, "eine gute Offiziersausbildung darf sich nicht allein auf Wissensvermittlung beschränken", die Kadetten müssten auch lernen, in kritischen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch ihr Selbstvertrauen müsse gestärkt werden.

Auf das Kommando "Enter auf!" kletterten sechs Marineangehörige auf den Flensburger Mast. An seiner Spitze festgemachte Sicherheitsleinen waren an den Gurten befestigt, die die Männer trugen. "Als wenn ich ganz normal eine Leiter hochklettere", meinte einer der Männer. Der Mast steht etwas abseits, damit die Übenden nicht abgelenkt werden. Ein Windwarner schlägt bei zu hohen Windstärken Alarm. Der Mast ist ein verkleinerter Nachbau des Originals auf der "Gorch Fock". 28 Meter hoch ist die Flensburger Version, 45 Meter das Original. 1,4 Millionen Euro kostete die neue Anlage an Land.

Die Deutsche Marine zieht damit Konsequenzen aus einem tödlichen Unfall auf der "Gorch Fock". Im November 2010 starb eine 25-jährige Kadettin im Hafen von Salvador da Bahia in Brasilien, nachdem sie aus der Takelage 27 Meter tief auf das Deck gestürzt war.

Zunächst schien es so, als sollte das Ereignis heruntergespielt werden. Kapitän zur See Norbert Schatz, Kommandant der "Gorch Fock", sagte damals: "Als Junge bin ich auf Kirschbäume im Garten des Nachbarn geklettert und war auch schnell genug wieder runter, wenn der kam." Was Schatz als Junge ganz automatisch lernte, vermisste er zunehmend beim Marine-Nachwuchs: "Die motorischen Fähigkeiten haben abgenommen, die Jugend sitzt nicht mehr im Kirschbaum, sondern eher vorm Computer." Und das mache die Ausbildung auf einem Segelschiff für die meist 19-jährigen Offiziersanwärter von heute, die direkt nach dem Abitur zur Marine kommen, gefährlicher als früher.

Doch dann spitzte sich die Situation zu und wuchs zu einer Affäre aus. Auf dem Schiff gebe es zu harten Drill und Überforderung, von Meuterei und sexuellen Übergriffen war sogar die Rede. Der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Affäre zur Chefsache erklärt, suspendierte den Kommandanten - und wurde dafür massiv kritisiert. Das Unglück war ein Fall für den Staatsanwalt und für Marineexperten. Kapitän Schatz durfte nach Abschluss der Untersuchungen nicht auf das Schulschiff zurückkehren. Er leitet jetzt das Taktikzentrum der Marine in Bremerhaven, wo er schon früher tätig war.

Staatssekretär Kossendey erinnerte gestern in seiner Ansprache an den tragischen Tod der Kadettin und verwies auf die Risiken in der Ausbildung. Er nahm auch Stellung zu der im Vorjahr aufgekommenen Kritik an der Stammbesatzung und am Kommandanten des Traditionsschiffes. Ein Fehlverhalten Einzelner rechtfertige keine pauschale Kritik an der gesamten Besatzung, sagte er.

Bis Anfang August soll sich zunächst die Stammbesatzung der "Gorch Fock" mit dem neuen Übungsmast vertraut machen, sagte der Kommandeur der Schule, Flottenadmiral Thomas Josef Ernst. Dann soll der neue Kadettenjahrgang darauf trainieren.

Die "Gorch Fock" befindet sich nach Rostschäden, die größer sind als zunächst angenommen, derzeit noch in der Werft. Im Herbst soll der Großsegler in seinen Heimathafen Kiel zurückkehren. Zuvor wird im August Kapitän Helge Risch das Kommando auf der "Weißen Lady", wie das Schiff auch genannt wird, übernehmen. Die erste Ausbildungsfahrt der neuen Offiziersanwärter ist für Ende Januar geplant. Dann soll nach der Affäre eine neue Zeit für die "Gorch Fock" anbrechen.