Der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig setzt im Landtagswahlkampf vor allem auf seine Präsenz und weniger auf politische Inhalte.

Lübeck. "Moin. Brötchen?" Man könnte diese Frage in aller Herrgottsfrühe als unhöflich empfinden. Aber Torsten Albig lächelt den Lübeckern vor dem Bahnhof der Hansestadt derart freundlich ins Gesicht, dass er seine Tüten im Handumdrehen los wird. 600 Brötchen, mal Schoko, mal Käse, bringen der SPD-Spitzenkandidat und seine Genossen binnen 30 Minuten unters Wahlvolk.

"Coffee to go" heißt diese Wahlkampfaktion im Terminkalender des Mannes, der Schleswig-Holstein regieren möchte - und mehr verspricht, als er halten kann. Kaffee gibt es an diesem Morgen nicht. Logistisch zu aufwendig, sagen die Genossen, die ihren Spitzenkandidaten begleiten. Wer einen "Coffee to go!!!" braucht, muss ein paar Schritte weitergehen, zum Imbiss "Ab die Post". Da geht das dunkle Heißgetränk zum Gastropreis von einem Euro über den Tresen.

Vorm Haupteingang des Bahnhofs geht mittlerweile die Post ab. 6.30 Uhr zeigt die Bahnhofsuhr, die Stadt erwacht. Der Mann mit der markanten Glatze hat sich schon die nächste Kiste mit Brötchentüten geschnappt. Albig wirkt entspannt und ausgeruht - und das gleicht so kurz vor der Landtagswahl und so kurz nach dem Hellwerden einem kleinen Wunder. Neben ihm stehen Lübecks SPD-Bürgermeister Bernd Saxe und die beiden Landtagsabgeordneten Wolfgang Baasch und Thomas Rother. "Ist das sinnvoll, dass wir alle hier verteilen?", fragt Saxe. "Nicht wirklich", antwortet Albig und geht ein paar Schritte zum Nebeneingang hinüber.

"Moin. Brötchen?" Fast jeder greift zu, fast jeder lächelt zurück, aber kaum einer macht mehr als das. Albig hält auch niemanden auf. "Ich hätte um diese Uhrzeit keine Lust, dass mich einer groß volllabert", sagt er. Lohnt sich da der frühe Einsatz am Bahnhof überhaupt, bei dem nur Nahrung verteilt wird, aber nicht eine politische Nachricht? Albig wirkt, als sei das für ihn die falsche Frage. "Ich will ja was", sagt der Wahlkämpfer. "Die Brötchen sind einfach eine kleine Erinnerung daran, dass demnächst Landtagswahl ist."

+++ Der sanfte Sozi +++

Vielleicht ist mehr auch gar nicht nötig. Schließlich liegt Albig, was die Sympathiewerte angeht, weit vor seinem CDU-Konkurrenten Jost de Jager. Vielleicht reicht es in dieser Situation, einfach nur Tüten zu verteilen und den Inhalt wirken zu lassen. Und sagt nicht der Aufdruck eigentlich schon alles? "Torsten Albig wünscht guten Appetit."

Albigs nächster Termin lässt keine Wünsche offen. Mit Monika Polcyn an der Seite kann man einfach nur glänzen. In Albigs "Lieblingsland" (SPD-Wahl-Slogan) würde die Mittdreißigerin mühelos die Rolle der Lieblingskindergärtnerin übernehmen können. Der Leiterin der katholischen Kita Herz Jesu in der Lübecker Altstadt macht die Arbeit spürbar Freude. Sie zeigt auf den Wickeltisch und das psychomotorische Spielzeug, erklärt die "Bewegungshalle" und das Schulpaket. Albig, linke Hand am Kinn, rechte Hand am linken Oberarm, hört aufmerksam zu. 34 Kinder werden in dem kleinen Kindergarten direkt neben der katholischen Kirche betreut. Die Kinder heißen Justus, Jurek, Massimilic oder Baran.

Kinderbetreuung ist ein schwieriges Geschäft. Unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Fähigkeiten, hohe Anforderungen der Eltern: Monika Polcyn könnte klagen, könnte fordern. Stattdessen sagt sie nur: "Wir sind hier drei Kindergärtnerinnen. Wenn eine ausfällt, wenn eine für längere Zeit erkrankt, dann wird's schon eng." Albig nickt. Der Oberbürgermeister kennt das Problem aus Kieler Kindergärten. Auf seiner Rundtour mit Polcyn beschränkt er sich ansonsten auf gut gelaunte Anmerkungen. Die Leiterin erzählt, dass die Kinder in der "Forschungspfütze" experimentieren können, um so naturwissenschaftliche Grundkenntnisse zu erwerben. Da probieren sie zum Beispiel aus, welche Dinge im Wasser untergehen und welche nicht. Oder sie stellen Popcorn her. "Das macht dann dött dött dött", weiß Albig. "Großartig". Er findet es "schön", dass es eine musikalische Früherziehung gibt, ihm gefällt es, dass mit den Kindern auch über die Kreuzigung gesprochen wird. Er ist ein unkomplizierter Gast. Zwischendurch reißt er sich ein Blatt von einer Küchenpapierrolle ab, weil die "Tempo"-Suche in den Jacketttaschen ohne Erfolg geblieben ist.

Der Besuch geht zu Ende. Die Kita-Leiterin führt Albig, an dessen Revers das kleine Lieblingsherz in den schleswig-holsteinischen Landesfarben prangt, nach draußen, aufs Außengelände. Für die Innenstadtlage ist es erstaunlich großzügig. Auf die mannshohe Begrenzungsmauer haben die Kinder ein Bild gemalt, ein kleines Kunstwerk. Auf blauen Wellen, unter einem bunten Regenbogen, schaukelt ein Segelschiff mit Freibeuterflagge und der Aufschrift "Jesu-Line". Albig stutzt ein Moment und sagt lächelnd: "Wie niedlich - auf Kaperfahrt in die Herzen."