Kiels Innenminister Schlie warnt aber vor Neonazi-Zellen, etwa im Kreis Stormarn

Kiel/Hannover. In Schleswig-Holstein sind Rechts- und Linksextremisten auf dem Rückzug. Bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes hat Innenminister Klaus Schlie (CDU) gestern in Kiel gleichwohl keine Entwarnung gegeben. "Ein großer Teil der Rechtsextremisten ist grundsätzlich bereit, Gewalt auszuüben und schwere Straftaten zu begehen." Sorge macht dem Minister gerade die Entwicklung im Kreis Stormarn. Dort habe sich die Neonazi-Szene "verfestigt".

Landesweit zählte der Verfassungsschutz 2011 insgesamt 1170 Rechtsextremisten (Vorjahr 1340). Davon gelten 590 (640) als gewaltbereit. Die NPD schrumpfte auf 210 Mitglieder (220), konnte also vom Niedergang der rechtsextremistischen DVU nicht profitieren. Den gleichen Trend gibt es in Niedersachsen. Nach Angaben des dortigen Verfassungsschutzes wenden sich Rechtsextremisten von NPD und DVU ab. Zulauf haben "aktionsorientierte" Neonazi-Gruppen. Von den etwa 2000 Rechtsextremisten in Niedersachsen gilt die Hälfte als gewaltbereit.

Die NPD sei in Schleswig-Holstein kaum noch in der Lage, öffentliche Veranstaltungen zu organisieren, sagte Schlie. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes werden die Nationaldemokraten allerdings genügend Unterschriften zusammenbekommen, um am Freitag vom Landeswahlausschuss für die Landtagswahl am 6. Mai zugelassen zu werden. Wahlziel sind mindestens 1,0 Prozent, um die staatliche Wahlkampfkostenerstattung zu erhalten. Die NPD setzt dabei auf Lautsprecherwagen und auf Straßenplakate, die teils aus Mecklenburg-Vorpommern kommen sollen. Die Rechtsextremisten wollen auch bei der Wahl in Niedersachsen (20. Januar 2013) antreten, sind dort aber kaum besser aufgestellt.

Der Verfassungsschutz verwies darauf, dass Neonazi-Gruppen in einigen Regionen aktiver wurden, so etwa die "Autonomen Nationalisten Stormarn". Sie könnten inzwischen 25 bis 30 teils noch minderjährige Personen vor allem aus Bargteheide, Reinfeld und Bad Oldesloe mobilisieren. Auch im Herzogtum Lauenburg setzte sich eine Aktionsgruppe fest. Auf ihr Konto sollen auch Morddrohungen gehen. Offenbar entspannt hat sich die Lage im Kreis Pinneberg, wo die "Pinneberger Jugend" selbst im Internet nicht mehrerreichbar ist.

Unterdessen bestätigte das Kieler Landeskriminalamt (LKA) dem Abendblatt, dass die Landespolizei derzeit nach insgesamt sieben Straftätern aus der rechtsextremistischen Szene fahndet. Sie seien unabhängig voneinander meist "wegen nicht politischer Straftaten" wie Körperverletzung, Diebstahl oder Landfriedensbruch verurteilt worden, hätten ihre Haftstrafen aber nicht angetreten. In Justizkreisen wurde beklagt, dass die Polizei sich generell und bundesweit schwertut, abgetauchte Kleinkriminelle aufzuspüren. Aufwendige Zielfahndungen gibt es oft nur bei Schwerverbrechern.

Wie die Gefahr von rechts sinkt in Schleswig-Holstein offenbar auch die Gefahr von links. Landesweit wurden nur noch 750 Linksextremisten (Vorjahr 830) gezählt, davon 300 (330) gewaltbereit.