In Niedersachsen werden Besucher stichprobenartig überprüft. Gefunden wurden dabei Messer, Scheren und Reizgas. Mehr Personalbedarf.

Hannover. Warum jemand eine zur Stichwaffe umgebaute Luftpumpe ins Amtsgericht Braunschweig mitnimmt, darüber rätselt seit gestern der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU). Stichprobenartig wurden an insgesamt fünf Gerichten rund 940 anlasslose Personenkontrollen vorgenommen - und gefunden wurden eben nicht nur Hundeleinen und Regenschirme, sondern auch 14 Messer, fünf Teppichmesser, zwölf Scheren, zehn Flaschen Pfefferspray und eine Flasche mit CS-Reizgas.

Diese Funde bestätigten Busemann noch einmal, dass sein neues Sicherheitskonzept für insgesamt 142 Einrichtungen der Justiz notwendig ist. Ab sofort müssen die Besucher an allen drei Oberlandesgerichten, den drei Generalstaatsanwaltschaften, elf Landgerichten, 80 Amtsgerichten, elf Staatsanwaltschaften sowie weiteren Gerichten damit rechnen, dass sie ähnlich wie auf einem Flughafen kontrolliert und auch ihre Taschen durchsucht werden.

+++ Unbescholten aber aggressiv: Todesschütze schweigt +++

Wer also pünktlich zu einem Gerichtstermin erscheinen muss, sollte künftig in Niedersachsen etwas früher anreisen. Schon 2009 hat der Minister eine Sicherheitskonferenz durchgeführt, in den Jahren darauf immer mehr Geld in die Neugestaltung von Eingangsbereichen von Gerichten investiert. Angeschafft wurden die notwendigen Kontrollgeräte wie Sicherheitsschleusen.

Jetzt rüstet die Justiz auch personell noch einmal auf. Für die flächendeckenden Kontrollen werden 65 zusätzliche Wachtmeister benötigt, ein Teil der Stellen wird neu geschaffen, aber allein 25 Beamte werden durch die Schließung einer Nebenstelle des Gefängnisses in Oldenburg frei.

Geplant ist ein abgestuftes System. Alle 142 Einrichtungen wurden einer Sicherheitsanalyse unterzogen und je nach Gefahrenpotenzial werden die ganze Woche über auch deutlich seltener die Personenkontrollen stattfinden. Dem Minister ist klar, dass das neue Konzept eine Gratwanderung bedeutet: "Wir können die Gerichte nicht wie Kasernen behandeln, brauchen weiter eine offene Gerichtskultur." Aber die soll künftig "in einem angemessenen Verhältnis zu den berechtigten Sicherheitsbelangen und einer sicheren Arbeitsumgebung stehen".

Konkret bedeutet dies, dass vor allem die besonders großen Gerichte in den Großstädten mit viel Publikumsverkehr praktisch täglich mindestens stundenweise Kontrollen erleben werden, kleine Amtsgerichte aber mit gerade 1,5 Richterstellen nur sporadisch. Zum Vergleich: Am größten Amtsgericht Hannover arbeiten 600 Menschen, täglich kommen bis zu 4000 Besucher. Im kleinen Amtsgericht dagegen sind es manchmal nicht mehr als ein Dutzend. Bislang gab es intensive Kontrollen nach dem Vorbild eines Flughafens im Regelfall nur, wenn der Vorsitzende Richter etwa eines Schwurgerichts dies anordnete. Diese Kontrollen waren dann meist auch auf ein einzelnes Verfahren und den entsprechenden Saal beschränkt.

+++ Busemann: Mehr Sicherheit in Gerichten gefordert +++

Die Gefahrenprognose für jedes einzelne Gericht und jede Staatsanwaltschaft beruht auf dem achtstufigen "Prognosemodell" des Bundeskriminalamtes. Wie zu erwarten können die Justizeinrichtungen glücklicherweise nicht mithalten mit Bundeskanzleramt und Bundesanwaltschaft, die zur höchsten Gefahrenstufe 1 zählen. "Unsere Gerichte sind im mittleren bis unteren Gefährdungsbereich einzustufen", erläuterte Busemann und setzte hinzu: "Beim größten Teil unserer Besucher handelt es sich um unbescholtene Bürger." Welche Justizeinrichtungen die Negativliste anführen, dazu schwieg sich der Minister gestern aber aus: "Die Kontrolldichte steht in einem ausgewogenen Verhältnis zur Gefährdungslage der Gerichte und den personellen und finanziellen Möglichkeiten des Landes." Absolute Sicherheit, so Busemann, werde es auch künftig nicht geben. So erschoss am 11. Januar im Amtsgericht Dachau (Bayern) ein Angeklagter den Staatsanwalt. "Solche Vorfälle sind glücklicherweise Einzelfälle", sagte dazu der Minister.

Insgesamt kümmern sich derzeit rund 750 Justizwachtmeister um die Gebäudesicherung der Gerichte. Die werden laut Busemann inzwischen verstärkt zu Sicherheitsfachleuten fortgebildet. Dabei lernen sie gezielt Verhandlungs-, Kommunikations- und Deeskalationstechniken. Sie sollen auch unter Stress richtig handeln. Im Gegenzug wurde auch die Besoldung erhöht. Die Eingangsstufe ist nicht mehr die Besoldungsgruppe A 3, sondern A 5, das bedeutet ein Grundgehalt von rund 2600 statt zuvor 2000 Euro brutto.