Die FDP möchte die Landtagswahl in Schleswig-Holstein gegen die CDU gewinnen, in Niedersachsen ist sie aber an der Seite der Union.

Kiel/Hameln. Die FDP in Schleswig-Holstein hat acht Wochen vor der Landtagswahl das Feuer auf ihren Koalitionspartner CDU eröffnet. Auf einem Parteitag am Wochenende in Kiel rechnete Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki mit der Haushaltspolitik der Union ab und bot sich überraschend selbst als nächster Finanzminister an. In Niedersachsen, wo acht Monate später gewählt wird, schlug die FDP zeitgleich auf einem Parteitag in Hameln die entgegengesetzte Strategie ein. Sie will den Kampf ums politische Überleben nicht gegen die Union, sondern ausdrücklich an der Seite ihres Regierungspartners gewinnen.

Im Kieler Hotel Maritim fackelt Kubicki nicht lang. Der Fraktionschef im Landtag, der auf dem Programm-Parteitag als Redner gar nicht vorgesehen ist, meldet sich kurzerhand zu Wort und macht den 200 Delegierten angesichts der mauen Umfragewerte Mut: "Die FDP ist sehr kampferprobt." Seit 1992, als er erstmals Spitzenkandidat gewesen sei, habe es die FDP entgegen aller Unkenrufe stets in den Landtag geschafft, und so werde es auch am 6. Mai sein. Die aufmunternden Worte kommen an und lassen einige Delegierte kurz vergessen, dass die FDP in der jüngsten Umfrage auf nur noch zwei Prozent abgestürzt war.

+++ Wolfgang Kubicki schielt auf Posten des Finanzministers +++

Kubicki legt nach, knöpft sich die CDU vor, deren Spitzenkandidat Jost de Jager offen um die Grünen wirbt. Dessen Wahlkampfvideos mit dem grün eingefärbten Schal seien Realsatire. "Er schmeißt sich hinter den grünen Zug", lästert Kubicki zur Freude der Delegierten. "Man sollte sich nicht zum Affen machen." Der Anwalt knöpft sich nun die gesamte CDU vor, die im Wahlkampf vor allem mit ihrer Sparpolitik wirbt. "Ohne die FDP hätte es die Haushaltskonsolidierung nicht gegeben", bilanziert er und berichtet, wie er kurz vor den entscheidenden Sparbeschlüssen im Landtag als "psychiatrischer Dienst" zwei CDU-Abgeordnete auf Kurs brachte. Der Saal tobt.

Kubicki genießt den Beifall und serviert einen Überraschungscoup: "Wenn die Wähler es wollen, werde ich mich bemühen, Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein zu werden." Einige Delegierte springen auf, dann erheben sich alle, applaudieren mehrere Minuten dem Mann, der bisher nie Minister werden wollte, weil er in seiner Anwaltskanzlei angeblich deutlich mehr Geld verdient und als Fraktionschef nicht der Kabinettsdisziplin unterliegt.

Kubicki bekräftigt später ernsthaft, dass er seinen Wechsel auf einen Ministersessel als Angebot ans Wahlvolk versteht. "Schleswig-Holstein ist in den vergangenen 20 Jahren unter seinen Möglichkeiten regiert worden." Das müsse sich ändern. "Wenn es noch zehn Jahre so weitergeht, werden wir von Hamburg übernommen." Den amtierenden Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) kanzelt er knapp ab. Kluge Finanzpolitik sei mehr, als Zahlen zu addieren oder zu subtrahieren. Einmal in Fahrt, bekommt auch Innenminister Klaus Schlie (CDU) sein Fett weg, weil er die Erweiterung des Möbelhauses Dodenhof in Kaltenkirchen ablehnt. "Die Dodenhof-Debatte zeigt, wie kleinkariert in Schleswig-Holstein noch gedacht wird", schimpft Kubicki und erntet Applaus.

+++ Kubicki hält neun Prozent für FDP für erreichbar +++

Dass die FDP derzeit in allen Spekulationen über künftige Koalitionen kaum eine Rolle spielt, wischt der liberale Oberstratege vom Tisch. Eine Mehrheit aus SPD und Grünen oder CDU und Grünen sei "fast ausgeschlossen", ein Dreierbündnis umso wahrscheinlicher und damit neben einer Dänen-Ampel (SPD, Grüne, SSW) auch eine Jamaika-Koalition (CDU, Grüne, FDP) oder eine klassische Ampel (SPD, Grüne, FDP) möglich. "Was die FDP will, entscheiden wir nach der Wahl."

Grüne und SPD schüttelten über Kubickis Auftritt den Kopf. Die CDU lehnte auch auf Nachfrage jeden Kommentar zur liberalen One-Man-Show ab und verhinderte so zumindest einen weiteren Schaden für die schwarz-gelbe Koalition. Außer Kubicki bot die FDP in Kiel nichts Überraschendes. Landeschef Heiner Garg griff SPD und Grüne an, der designierte Bundes-Generalsekretär Patrick Döring erklärte wie tags darauf in Hameln die FDP für unverzichtbar im Parteiensystem. "Wir gehören dazu." Programmtisch blieben die Nord-Liberalen sich treu. Sie setzen im Wahlkampf auf eine solide Finanzpolitik, G9-Gymnasien, aber vor allem ihren Spitzenmann Kubicki, den bekanntesten FDP-Landespolitiker in ganz Deutschland.

Die Niedersachsen-FDP dagegen hat gerade einen kompletten Austausch der Führungsriege hinter sich, kaum einer kennt den 38-jährigen Landesvorsitzenden und Umweltminister Stefan Birkner, den 41-jährigen Wirtschaftsminister Jörg Bode und den 34-jährigen Fraktionschef Christian Dürr. Birkner befasst sich in seiner Grundsatzrede in Hameln ausführlich mit grüner Totalverweigerung und SPD-Problemen beim Umgang mit den Staatsfinanzen, aber es gibt keinen einzigen Versuch, sich neben dem großen Koalitionspartner zu profilieren, stattdessen eine Ergebenheitsadresse: "Es kommt darauf an, deutlich zu machen, dass es wichtig für die Menschen im Land ist, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der CDU unter dem Ministerpräsidenten David McAllister fortzusetzen."

Schon im Jahr 2017 und damit noch früher als geplant wollen die Liberalen einen Landeshaushalt für Niedersachsen ohne neue Schulden aufstellen.

+++ "I am what I am" - FDP schart sich um Wolfgang Kubicki +++

Birkner warnt vor einer von SPD und Grünen angestrebten Einheitsschule: "Die wollen das Gymnasium nicht mehr, aber wir sind sein Garant." Und Birkner verteidigte ausdrücklich die Studiengebühren, an denen außer Niedersachsen nur noch Bayern festhält. Beteiligt würden genau "die Richtigen" an den Kosten des Studiums, nämlich die, die hinterher auch mit höheren Einkommen rechnen könnten.

Als Philipp Rösler im vergangenen Jahr zum Bundesvorsitzenden gewählt worden war, rückte Birkner im Landesvorsitz nach. In Hameln wird er mit 95 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, damit läuft auch alles auf ihn als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 20. Januar 2013 hinaus. Seine Stellvertreter aber und der neue Generalsekretär Gero Hocker erhalten nur um 80 Prozent: ein Anzeichen auch für die gedrückte Stimmung angesichts schlechter Umfragewerte.

"Es tut schon weh, wenn unsere Politik so wenig Wertschätzung erfährt", bringt die neue Vizelandesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Angelika Brunkhorst das Problem der Liberalen auf den Punkt. Ex-Umweltminister Hans-Heinrich Sander kann dem sogar etwas Positives abgewinnen: "Wir sind eine kleine Gruppe, aber weil wir so klein sind, finden wir Antworten."