3400 Jahre alter Schmuck, der bei Syke in Niedersachsen gefunden wurde, stammt aus Zentralasien. Wie er nach Europa kam, ist unklar.

Hannover. Ein Goldring mit Perle, Spangen und Armbänder aus purem Gold - und das alles gefunden in einem Acker bei Syke im Landkreis Diepholz. Allein das ist eine Sensation. Aber dafür, dass die Archäologen vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalschutz regelrecht aus dem Häuschen sind, haben Naturwissenschaftler vom Institut für Anorganische Chemie an der Uni Hannover gesorgt: Sie datieren den Fund von 117 Schmuckstücken mit einem Gewicht von 1,8 Kilogramm auf etwa 1400 vor Christus, die Bronzezeit.

Fast noch unglaublicher: Der 3400 Jahre alte Schatz aus Gold und Bronze stammt nicht aus Europa, sondern aus Mittelasien. Wie das Geschmeide nach Nordeuropa gelangte, ist bislang unklar.

Geborgen wurde das Gold im April vergangenen Jahres und er war alles andere als ein Zufallsfund: Auf 200 Kilometer Länge bauen die Energiekonzerne E.on-Ruhrgas und Wingas eine Erdgaspipeline. Bevor die Bagger kommen, sind immer schon die Archäologen auf der 36 Meter breiten Trasse vor Ort, können dort dank der Kooperation der Energiekonzerne mit den Baufirmen Hand in Hand arbeiten.

Wie in der Gemarkung Gessel im Landkreis Diepholz. Hier machten die Archäologen an einem zuvor bereits als "Verdachtsfläche" gekennzeichneten Ort einen Klumpen aus Gold und Bronze aus, der als Ganzes geborgen wurde.

Werden sie jemals feststellen können, ob der ursprünglich in einem Beutel aus Tuch oder Fell verbuddelte Schatz eine Kriegsbeute war oder von einem Händler stammt? Es könnte sich auch um die Reste einer Weihestelle handeln, in der Nähe gibt es Grabstätten aus der Zeit um 1400 v. Chr.

Stefan Winghart, oberster Denkmalschützer des Landes, lobte die Wissenschaftler vor allem wegen der Herkunft des Goldes aus Asien: "Archäologische Sensationen fallen nicht vom Himmel, sondern sind vielmehr das Ergebnis von akribischer und geduldiger wissenschaftlicher Arbeit."

In diesem Fall sind es die Chemiker in Hannover, die eine Tür aufgestoßen haben, um mehr über das Leben unserer Vorfahren zu erfahren, wie es Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) stolz formulierte. Die Archäometallurgen am Institut für Anorganische Chemie der Leibniz-Universität Hannover haben Röntgenfloureszenzanalytik, Laserablationsmassenspektrometrie und Rasterelektronenmikroskopie eingesetzt. Diese Begriffe kann man zwar kaum aussprechen, aber die Chemiker konnten damit herausfinden, dass der Schmuck nicht gehämmert, sondern gezogen worden ist. Was zeigt, wie weit die Gesellschaft damals schon entwickelt war.

Aber dass Wissenschaftsministerin Wanka von einem "Jahrhundertfund" sprach, dessen Bedeutung weit über dem Materialwert des Goldes liegt, hat auch mit der geografischen Herkunft des Goldes zu tun. Die wurde mit modernster Technik festgestellt. In ein nur staubkorngroßes Stück des Goldfundes haben die Experten mit dem Laser geschossen. Kleinste Teile verdampfen, die so frei werdenden Atome werden abgesaugt und analysiert. Weil Gold je nach Abbaustelle und Region auf der Welt sich anhand der Atome unterscheidet, weisen die Wissenschaftler jetzt auf Zentralasien.

Ministerin Wanka kündigte bereits ein neues Forschungsprojekt an, um genau solche Fragen noch besser zu erforschen. Im kommenden Jahr ist zudem ein Kongress zu dem Thema geplant. Hans-Georg Egelkamp, Projektleiter der Energiekonzerne beim Pipelinebau, signalisierte dafür bereits finanzielle Unterstützung. Dies gilt wohl auch für die geplante eigene Ausstellung, die nicht nur den Goldschatz ins rechte Licht rücken soll, sondern auch die vielen anderen Funde, die durch die Kooperation von Archäologen und Pipelinebauern entdeckt worden sind. Diese Kooperation, so Denkmalschützer Winghart, schneide durch 10 000 Jahre Kulturgeschichte Niedersachsens.

Glück gehört auch zur Archäologie. Der Goldschatz von Syke lag kaum 60 Zentimeter unter der Erdoberfläche mitten auf einem Acker. Das waren nur wenige Zentimeter weniger, als die Pflugscharen den Boden aufbrechen können. Und im 19. Jahrhundert verlief an dieser Stelle sogar eine Straße.