Der nordfriesische Brauch des Biikebrennens wird immer mehr zu einer Touristenattraktion. Zehntausende Gäste werden erwartet.

Amrum. Früher haben es die Konfirmanden gemacht. "Ab Anfang Januar sind wir durch die Gegend gezogen, auf der Suche nach Brennholz für das Biikebrennen", sagt Kai Quedens. Der Amrumer Maler und Grafiker erinnert sich gern an das Entzünden der großen Feuer in der Nacht zum 22. Februar, so wie er es in seiner Kindheit erlebt hat. "Jedes Dorf wollte das größte Feuer haben", erzählt der 46-Jährige. "Am Biikeabend wurde alles fest und sicher geschichtet. Der älteste Konfirmand durfte das Feuer schließlich entzünden."

Drei Jahrzehnte ist das her. Damals war das Biikebrennen noch aufregender und ursprünglicher, sagt Quedens. Und es klingt ein bisschen Wehmut mit. Denn inzwischen ist der alte nordfriesische Brauch zu einem lukrativen Großereignis geworden, das Zehntausende Gäste auf die Inseln und an die obere Westküste zieht. Tourismusverantwortliche, Hotelbesitzer und Gastronomen freut das. Quedens bedauert es.

Biike oder Biake, wie es auf Amrum heißt, ist der friesische Ausdruck für Feuerzeichen. Die großen Freudenfeuer werden am Vorabend des Petritages (22. Februar) abgebrannt. "Ursprünglich waren das Opferfeuer für den heidnischen Gott Wotan", sagt Kai Quedens. "Heute feiert man damit das Ende des Winters."

Heimatforscher kennen zwei weitere Gründe für das Feuerritual: Die Nordfriesen hielten lange an ihrem heidnischen Glauben fest und wollten mit dem Feuer böse Geister vertreiben. In der Biike wird an vielen Orten noch heute eine Strohpuppe - das Petermännchen - verbrannt. Es soll den damals verhassten Papst in Rom darstellen. Und auch als Abschiedsfeuer galt die Biike in früheren Jahrhunderten. Viele Insulaner verdienten ihren Lebensunterhalt als Walfänger. In der zweiten Februarhälfte verließen sie ihre Heimat, um bis zum Herbst auf den Weltmeeren zu jagen. Die Frauen entzündeten zum Abschied lodernde Feuer an der Küste.

Welche Erklärung auch immer richtig ist, der Biikebrauch überstand die Jahrhunderte. Auch als Zeichen der Zusammengehörigkeit und der Heimatliebe der Friesen. Nur im Zweiten Weltkrieg wurde er verboten, weil die Engländer durch den Feuerschein die Inseln und Küstenstreifen hätten ausspähen können. Im Norden waren wichtige militärische Einrichtungen der deutschen Marine untergebracht.

Seit etwa 15 Jahren steht das nordfriesische Nationalfest auch touristisch hoch im Kurs. Für die großen Feuer ist heute nicht mehr die Jugend, sondern aus Brandschutzgründen die Dorffeuerwehr zuständig. 60 Biiken werden in Nordfriesland entzündet. Immer mehr Menschen aus den Großstädten fahren an die Nordsee, um den Winter zünftig zu verabschieden - und auch um vor dem Karneval zu flüchten. Am 21. Februar sind die Züge von Hamburg in Richtung Westerland auf Sylt zum Bersten voll. Allein auf der Nordseeinsel werden nach Schätzungen 10 000 auswärtige Besucher erwartet.

Das Biikebrennen ist inzwischen zu einem Volksfest geworden - mit allem, was heute dazugehört. "Es gibt dann Glühwein- und Wurststände am Feuer, und gegen die Kälte schützen nicht mehr nur die Flammen der Biike, sondern auch Heizpilze", sagt der Amrumer Quedens. Es gibt Fackelzüge. Und auch die Restaurants entlang der Küste setzen auf das Winterfest und haben das Biikegericht auf der Karte: Grünkohl mit ordentlich Fleisch, Wurst und süßen Bratkartoffeln. Nicht alle Nordfriesen finden die Vermarktung des traditionsreichen Brauchs gut. Es sei wichtig, den Fremden die Bedeutung des Biikebrennens zu vermitteln, heißt es deshalb beim Sylter Heimatverein.

Auch Quedens, der vor zwei Jahren von Hamburg auf seine Heimatinsel zurückgekehrt war, trauert der früheren Ursprünglichkeit nach. Missen möchte er das Biikebrennen aber nicht: "Deshalb halte ich in diesem Jahr auch die Biikerede in meinem Wohnort Norddorf." Zunächst auf Friesisch, danach noch mal für die Auswärtigen in Hochdeutsch. Doch sie endet immer mit dem Satz: "Maaki di biiki ön" - Mach die Biike an. Wenn das Feuer brennt, wird Kai Quedens ein Bier trinken und dann vielleicht noch in den kleinen Amrumer Ort Steenodde weiterfahren. "Dort ist die Biike kleiner, aber sie liegt ganz idyllisch direkt am Meer. Hier sind die Insulaner noch fast unter sich - ein echter Geheimtipp für Biikefans."