In Stade beginnt der Prozess gegen 79-Jährigen, der seine Ehefrau bestialisch ermordet haben soll

Stade. Es braucht keinen psychiatrischen Sachverständigen, um zu erkennen, dass Otto H. in seiner eigenen Welt lebt. Der 79-Jährige leidet unter Morbus Pick, einer neurodegenerativen Erkrankung des Gehirns, die mit Verhaltensaufälligkeiten, Gedächtnis- und Sprachstörungen einhergeht. In seiner Welt hat Otto H. seine gleichaltrige Frau weder mit einem Beil ermordet noch ihre Leiche zerstückelt. In seiner Welt war Käthe H. nach einem häuslichen Unfall plötzlich verschwunden und hat Selbstmord begangen. "Ich habe doch versucht, sie zu retten", sagt er.

Otto H. ist gestern in der wirklichen Welt angekommen. In Handschellen, begleitet von drei Krankenpflegern. Schon auf dem Weg von der psychiatrischen Anstalt zum Stader Landgericht hat der 1,68 Meter große, gedrungene Mann seine Begleiter bepöbelt und bedroht. "Ich muss mich hier nicht als Spinner beschimpfen lassen", sagt einer von ihnen. Otto H. - Karohemd, heller Blouson, Schiebermütze - darf seine Handschellen trotzdem abnehmen.

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, einen Mord begangen zu haben, wie er grausiger kaum sein könnte: Aus einer "gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung" heraus soll er am 5. August 2011 seine Frau ermordet haben, so die Anklage. Mit einem Beil attackierte er ihren Kopf, Hals und Oberkörper. Anschließend soll er die Leiche - vermutlich mit einer Säge - zerstückelt und die Überreste nahe seinem Wohnhaus in Nindorf (Kreis Stade) angezündet haben. An fünf verschiedenen Stellen stießen Spaziergänger und Autofahrer auf Leichenteile, am 6. August wurde der Senior festgenommen.

Die Staatsanwaltschaft stuft den Mann als erheblich vermindert schuldfähig ein. Weil Otto H. eine Gefahr für die Allgemeinheit bleibe, strebt sie in dem Sicherungsverfahren eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie an. Als Nebenklägerin tritt seine Tochter, 48, vor Gericht auf.

Die Bluttat versetzte das Dorf in einen Schockzustand. In Nindorf galt Otto H. als jähzorniger Sonderling und "Rüpel-Opa", der schon mal einem Kind seinen Gehstock auf den Kopf geschlagen haben soll. Mehrere Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs, Belästigung und Körperverletzung lagen gegen ihn vor. Erst im November 2010 hatten Käthe und Otto H. goldene Hochzeit gefeiert. Die Polizei vermutet, dass sich ein seit Jahren schwelender Konflikt zwischen dem Paar zugespitzt und im August entladen hat. Spuren deuteten zudem daraufhin, dass sich Käthe H. im Keller des Backsteinhauses gegen ihren Peiniger zur Wehr setzte.

Doch Otto H. bestreitet die Tat und wirkt vor Gericht über die Maßen abgebrüht. "Wie geht es Ihnen?", fragt der Vorsitzende Richter. "So weit gut", sagt H. Der Richter. "Ihre Frau ist doch tot!" H.: "Kann ich auch nichts dran machen." Er habe sie jedenfalls nicht getötet. Nach H.s Version rutschte seine Frau am 5. August, als sie Marmeladengläser in den Keller brachte, auf der Treppe aus und stieß gegen einen Schrank, worauf ein Sägeblatt auf sie fiel. Er habe ihre Wunden verbunden und sie zum Arzt gebracht. Als er sie Stunden später abholen wollte, will er von einer Frau erfahren haben, Käthe sei in ein Auto gestiegen. Er habe vermutet, sie wolle "Bekannte" besuchen. Für H. steht fest: "Sie hat sich selbst umgebracht, und das war ihre Sache."

Zwei Polizisten entdeckten die brennenden Leichenteile zufällig am Abend des 5. August. Den zweiten Fund machte der Stader Polizeisprecher Rainer Bohmbach, der gerade auf dem Weg zum ersten Fundort war. Am 12. August fand ein Jogger das letzte fehlende Leichenteil. Der Prozess wird fortgesetzt.