Die Kämpfe mit Zehntausenden Römern im Süden des heutigen Niedersachsen vor rund 1800 Jahren waren härter als bisher angenommen.

Hannover. Germanen und Römer haben sich im Süden des heutigen Niedersachsen vor rund 1800 Jahren weit härter in den Haaren gelegen als bislang bekannt. Archäologen und Historiker präsentierten im Landesamt für Denkmalpflege in Hannover nicht nur eine Pionieraxt, deren Inschrift erstmals konkret die Beteiligung einer bestimmten Legion an den Kämpfen am Harzhorn im Landkreis Northeim zulässt. Noch aufregender aus der Sicht der Experten ist, dass weniger als drei Kilometer von den bereits vor drei Jahren gefundenen Spuren einer Schlacht in Kalefeld eine weitere kriegerische Auseinandersetzung stattgefunden hat.

Petra Lönne, Kreisarchäologin des Landkreises Northeim und von Anfang an führend an den Ausgrabungen beteiligt: "Es ist der Beweis erbracht, dass das Harzhorn selbst nur ein Ausschnitt aus einer weiträumigen militärischen Operation der Römer ist." Die niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) sprach sogar "von Zehntausenden römischen Soldaten" und sagte dann: "Die Geschichte von Römern und Germanen muss neu geschrieben werden."

Vor drei Jahren war das erste Schlachtfeld gefunden worden und konnte grob auf den Zeitraum mindestens 200 Jahre nach Christus datiert werden. Schon das war eine Sensation. Bis dahin hatte in der Geschichtsschreibung gegolten, nach der Niederlage in der Varusschlacht im 9. Jahr nach Christus gegen Hermann den Cherusker hätten die Römer einen weiten Bogen um die wilden Germanen gemacht. Die Ausdehnung der beiden Schlachtfelder aber und die Zahl von über 2000 Funden machen die Wissenschaftler sicher, dass es sich um einen regelrechten Feldzug des Kaisers Maximinus Thrax 235 nach Christus gehandelt hat.

Auf der weitgehend unversehrt gefundenen und etwa zwei Kilogramm schweren Pionieraxt, einer Dolabra, wurden eingehämmerte Zahlen und Buchstaben identifiziert und interpretiert. Danach war am Harzhorn die 4. Römische Legion im Einsatz, deren Heimatstandort im heutigen Serbien um Belgrad lag. Diese Einheit galt als Eliteverband, eingesetzt in vielen großen Schlachten auch weit entfernt im Römischen Reich.

Prof. Günther Moosbauer von der Universität Osnabrück war gestern der Star bei der Präsentation der Ergebnisse. Er wurde vom sachkundigen Publikum im Saal mit Beifall bedacht. Er hat nicht nur die Pionieraxt der 4. Legion zuordnen können, sondern auch die weitere Beschriftung entschlüsselt, die die Schlacht auf die Regierungszeit des Kaisers Thrax eingrenzt. "Das hat mich drei Monate gekostet", sagte er. Andere markante Funde waren ein römischer Helm, mehrere Lanzenspitzen. Besonders wertvoll ist eine germanische Lanze, während die deutliche Mehrzahl der anderen Funde auf römischen Ursprung schließen lässt.

In Hannover diskutierten die Experten bereits eifrig, ob bestimmte gefundene Speere den Schluss zulassen, dass die Römer sogar mauretanische Speerwerfer einsetzten, die im norddeutschen Bergland besser vorankamen als die schwer bewaffneten Legionäre. Wo genau das zweite Schlachtfeld liegt, wollte Northeims Kreisarchäologin Lönne nicht verraten: "Wir fürchten sonst illegale Spurensucher." Auch die Besitzer der Flächen haben danach um Verschwiegenheit gebeten, sie fürchten Geschichtsinteressierte, die über ihre Felder und durch ihre Wälder stolpern.

Aus den Spuren des ersten Schlachtfeldes haben die Archäologen geschlossen, dass letztlich die Römer dort dank massiven Einsatzes auch von Katapultgeschossen die Oberhand behielten: "Das war ein gut geplanter Hinterhalt der Germanen, aber die Römer haben dennoch gewonnen." Die Spuren der zweiten Schlacht aber interpretieren Lönne und die anderen Experten anders: "Das war ein erbitterter Kampf Mann gegen Mann, und die Römer hatten herbe Verluste." Man könne, erläuterte Lönne, jetzt regelrechte "Gefechtsabläufe" nachvollziehen.

Henning Haßmann, Landesarchäologe, nutzte die Gelegenheit, um noch einmal die Bedeutung der Varusschlacht zu relativieren. Aus der Sicht der Römer habe es sich in Norddeutschland um "räuberische germanische Habenichtse" gehandelt, und der Verzicht der Unterwerfung sei schlicht eine Abwägung gewesen: "Das lohnte nicht." Dafür versucht jetzt Michael Wickmann, Landrat von Northeim, Kapital aus den Germanen zu schlagen. Er setzt auf ein Tourismuskonzept für das Harzhorn und möglichst viele Besucher: "Das kann nicht alles gewesen sein." Das Land gibt, so Ministerin Wanka, das Geld für eine große Landesausstellung in Braunschweig im kommenden Jahr: "Wir wollen das Harzhorn und das dramatische 3. Jahrhundert an der Nordgrenze des Imperium Romanum in all seinen Facetten darstellen."