Das Orkantief “Andrea“ spülte rund eine Million Kubikmeter Sand an Stränden und Steilküsten weg und sorgte für große Schäden.

Kampen/Sylt. Bis vor wenigen Tagen führte die Treppe der hölzernen Aussichtsplattform an der Kampener Sturmhaube noch nach unten an den Strand. Jetzt endet der Zugang drei Meter über dem Boden. Die Stufen führen ins Nichts. Orkan "Andrea" hat an den Stränden und Steilküsten der Insel Sylt große Schäden angerichtet . "Der Sturm hat den Sand bis zu einer Höhe von drei Metern weggespült und dem Strand damit das Gefälle genommen", sagt Gregory Baber, Strandchef von Kampen. "Damit kann das Hochwasser ungebremst bis an die Dünen spülen." Dort habe sich in zwischen eine vier bis fünf Meter hohe Abbruchkante gebildet.

In Hörnum im Sylter Süden sieht die Situation nicht besser aus. An der Hörnumer Odde sind so gut wie alle Sanddepots weggespült worden, die durch jahrelange Sandvorspülungen angelegt wurden. Die Beton-Tetrapoden, die eigentlich die Kliffs und die Steilküste schützen sollen, liegen jetzt mehrere Meter vor der Küste. Der Aufgang zur Strandsauna am "Kap Horn" in Hörnum ist komplett zerstört worden. Das Podest, auf dem im Sommer noch das Häuschen der Kurkartenkontrolle stand, thront jetzt zwei bis drei Meter über dem Strand auf einer Tetrapode. "Von List bis nach Hörnum hat die Insel schwer Sand verloren", sagt der Hörnumer Bürgermeister Rolf Speth. "Die Südspitze hat stark gelitten."

Manfred Uekermann, Vorsitzender des Landschaftszweckverbands Sylt, geht davon aus, dass die See bereits jetzt den gesamten aufgespülten Sand genommen hat. Fast eine Million Kubikmeter Sand seien weggespült. "Sollten die Stürme anhalten, geht es an die Substanz der Insel." Uekermann bleibt dennoch gelassen. "Wir erleben so etwas nicht zum ersten Mal."

+++ Orkan-Bilanz: Eine tote Frau und andere menschliche Dramen +++

+++ Urlaub an der Küste: Die besonderen Reize eines Sturms +++

Jahr für Jahr nagen die Winterstürme am Sylter Traumstrand, der sich an der Westseite der Insel über 40 Kilometer erstreckt. Die vorherrschenden Westwinde und die Brandung des Meeres tragen jährlich zwischen einem und vier Metern von der Westseite der Insel ab. Im Sommer rücken Baggerschiffe einer dänischen Firma an und spülen aus großen Rohren eine Million Kubikmeter Sand an den Sylter Strand, der dort mit Planierraupen verteilt wird. Vier Monate dauern diese Arbeiten. Seit 1972 sind auf diese Weise mehr als 41 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült worden. Die Kosten belaufen sich inzwischen auf rund 170 Millionen Euro. 30 Prozent trägt das Land Schleswig-Holstein, 70 Prozent übernimmt der Bund. "Es ist die einzige Möglichkeit, die Insel zu halten. Solange wir genügend Sand aufspülen, ist Sylt nicht gefährdet", sagt Uekermann. Allerdings müsse in diesem Jahr wohl deutlich mehr Sand bewegt werden als üblich. "Mit einer Million Kubikmetern werden wir wohl nicht auskommen", so Uekermann.

Zu den Sandvorspülungen gibt es bislang keine Alternative, da sind sich die Experten einig. Die Schutzversuche mit Tetrapoden sind gescheitert, weil die sechs Tonnen schweren Betonklötze entweder im Sand versanken oder den Abtrieb sogar noch verstärkten. Deshalb sollen sie vor Hörnum sogar umgesetzt werden und künftig die Strömung um die Hörnumer Odde umlenken.

"Dass es Stürme gibt, das ist immer so gewesen", sagt Strandchef Gregory Baber. "Aber in diesem Winter fehlen uns die Ruhepausen. Das ist schon beunruhigend. Und wir werden bis März noch eine Menge weiterer Stürme bekommen." Die größte Sorge bereitet ihm das berühmte Rote Kliff. Auch hier ist der Sand der letzten Vorspülung den Nordseewellen zum Opfer gefallen. "Wenn das unterspült wird und abrutscht, ist es ein für allemal verloren." Für Strandspaziergänger bestehe aber derzeit keine Gefahr. Dennoch rät Baber zur Vorsicht an den Sandkliffs und Abbruchkanten. Zum einen könnten hier jederzeit große Mengen Sand abrutschen. Zum anderen seien die Strände jetzt einige Meter tiefer als zuvor. Das bedeute, dass auch bei normalem Hochwasser und Wind aus westlichen Richtungen das Wasser an einigen Stellen bis an die neuen Begrenzungskanten am Strand komme und man keine Möglichkeit zum Ausweichen mehr habe. Vorsorglich hat Baber jetzt auch die Aussichtsplattform vor der Sturmhaube sperren lassen.

Trotz der Verluste bleiben die Sylter optimistisch. Der Sand sei ja nicht weg, sondern nur woanders, nämlich vor der Küste, sagt Baber. Und bei günstigen Wetterbedingungen könne dieser sogar ganz von allein wieder auf dem Strand landen. So etwas hat Bürgermeister Speth am Strandübergang Hörnum Nord erlebt. Dort hatte die Flut einmal einen Meter Strand unter der Treppe abgetragen. Schnell wurde die Treppe verlängert. Ein paar Wochen später brachte ein Sturm aus Nordwest den Sand zurück. Die neuen Stufen verliefen sich daraufhin im Sande.