Torsten Albig gibt Regierungserklärung ab und gesteht ein, ohne Gesetzesänderung Schuldenbremse nicht einhalten zu können. Massive Kritik von der Opposition

Kiel. Der Start der Dänen-Ampel in Schleswig-Holstein ist nur halb geglückt. Für seine erste Regierungserklärung heimste Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) gestern im Landtag zwar Beifall bei SPD, Grünen, SSW und teils den Piraten ein. Die CDU und vor allem die FDP griffen aber genüsslich die Kritik der Wirtschaft an dem "verhängnisvollen" Kurswechsel des rot-grün-blauen Bündnisses in der Verkehrs- und Finanzpolitik auf.

Albig, der bis 3 Uhr nachts an seiner Rede gefeilt hatte, warb zunächst für eine neue politische Kultur. "Wir setzen auf Dialog, Transparenz und Teilhabe." Den Beschluss, die A 20 vorerst nur bis zur A 7 zu bauen, verteidigte er. Die Proteste seien "Schlachtenlärm der ersten Tage." Die Regierung werde die Planung für die Rest-A 20 bis zur Elbe zügig zu Ende bringen.

Stück für Stück stellte Albig den Koalitionsvertrag vor, begründete die Rücknahme von Sparbeschlüssen bei den dänischen Schulen, bei Frauenhäusern oder im Öko-Landbau. Eher nebenbei servierte er die brisante Botschaft, dass Schleswig-Holstein die Schuldenbremse nicht aus eigener Kraft einhalten könne, wenn man das Land nicht "in Schutt und Asche" legen wolle. "Ein wichtiger Teil unserer finanzpolitischen Misere kann nur durch bundespolitische Entscheidungen verbessert werden." Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, dass nach der Bundestagswahl im Herbst 2013 eine rot-grüne Regierung in Berlin etwa Spitzenverdiener und Erben stärker zur Kasse bitten wird.

Rückendeckung bekam Albig von SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Er bemühte sich, milde Töne anzuschlagen, warb für einen "anderen Stil" im Landtag und quälte sich sogar ein kleines Lob für die schwarz-gelbe Ex-Regierung ab: "Nicht alles, was sie gemacht hat, war falsch." Wie Albig, der Hamburg den "Premiumpartner" Schleswig-Holsteins nannte, setzte auch Stegner auf mehr Kooperation mit der Hansestadt. Ein Ziel: Nach dem Auslaufen des Gastschulabkommens soll es in der Metropolregion eine freie Schulwahl geben.

Die Fraktionschefs der beiden anderen Regierungsfraktionen, Eka von Kalben (Grüne) und Lars Harms (SSW), lobten den Koalitionsvertrag, der auch bei den Piraten gut ankam. "Mit vielem Ihrer Politik sind wir sehr einverstanden", sagte Pirat Wolfgang Dudda mit Blick auf das klare Nein der Dänen-Ampel zur Vorratsdatenspeicherung. Oppositionsführer Johannes Callsen (CDU) dankte Albig für sein Dialogangebot, erinnerte aber an die vielen Koalitionsbeschlüsse im Schulbereich. "Wir werden keinen Dialog führen, dessen Ergebnis schon feststeht." Die Ampel habe in der Verkehrspolitik "ihre Hände in den grünen Schoß" gelegt, mache neue Schulden und da weiter, wo die rot-grüne Koalition 2005 aufgehört habe, sagte der CDU-Fraktionschef: "Diese Koalition ist inhaltsleer, rückwärtsgewandt und ohne Perspektive für unser Land."

Wortgewandter und härter rechnete FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki ab. Der A-20-Beschluss sei wachstumsfeindlich und werde Menschen dazu zwingen, ihr "Lieblingsland" (SPD-Wahlslogan) zu verlassen. Es könne zudem nicht sein, in der Haushaltspolitik die Verantwortung an den Bund weiterzureichen: "Dieses Land braucht einen Steuermann und keinen Frühstücksdirektor." Kubicki rieb der Regierung zudem eine kleine Panne unter die Nase. Albig hatte Energieminister Robert Habeck (Grüne) zu seinem Vize und Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) generös zur zweiten stellvertretenden Ministerpräsidentin gemacht. Laut Verfassung hat der Regierungschef formal nur einen Stellvertreter.