Grünen-Politikerin glaubt, dass einige Pflegeeltern aus Angst, das Kind zu verlieren, schweigen

Hamburg/Winsen. Der Fall des Hamburger Pflegekindes Dennis offenbart nach Ansicht der Grünen-Politikerin Katrin Munz im Landkreis Harburg zwei Probleme: den Personalmangel im Jugendamt und die Tatsache, dass der Großteil der Pflegekinder aus Hamburg kommt. "Die Verwaltungen müssen sich zusammensetzen, da besteht dringender Handlungsbedarf", sagt Munz.

Auch Dennis war mit vier Monaten aus einem Kinderschutzhaus in Hamburg zu seinen Pflegeeltern nach Winsen gekommen, wo er fünfeinhalb Jahre lebte. Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen mit Amtsgericht und Jugendamt in Winsen, lebt er seit drei Wochen in einem Heim (das Abendblatt berichtete). Den Pflegeeltern fehlten zuletzt die Kraft und die finanziellen Mittel für die Auseinandersetzung. Und sie wollten Dennis weitere seelische Qualen ersparen.

"Die gesetzlichen Vorgaben für den Pflegekinderbereich besagen, dass bei einer allgemeinen Vollzeitpflege pro Mitarbeiter die Fallzahl 50 nicht überschritten werden darf. Nach Angaben der Leitung gibt es im Landkreis Harburg 158 Pflegekinder, das würde mehr als die zurzeit angestrebten drei Fachkräfte im Pflegekinderdienst erfordern.

Und für die Pflegekinder mit sozialpädagogischem Förderbedarf sind die maximalen Fallzahlen pro Mitarbeiter noch deutlich geringer. Es ist schwer zu glauben, dass der Landkreis Harburg kein einziges Pflegekind mit besonderem Förderbedarf hat", sagt Munz, Jugendausschuss-Mitglied der Grünen. Sie sieht außerdem "die gesetzliche maximale Fallzahl pro Mitarbeiter als zu hoch angesetzt" an.

Sie glaube, dass die Belastung für die Mitarbeiter enorm sei, sagt Munz. "Sie haben die Verpflichtung, hinzusehen, wenn Kinder in Not sind, sie haben das Wächteramt auszufüllen, tragen also einen großen Teil der Verantwortung für das Wohl der Kinder. Und sie müssen sich dennoch den Entscheidungen anderer Stellen fügen, wie zum Beispiel der Politik oder den Gerichten."

Ist Dennis ein Einzelfall? "Ich glaube leider nicht, dass dies ein Einzelfall ist. Die Pflegeeltern trauten sich an die Presse, weil eh alles verloren schien. Es gab nichts mehr zu verlieren, aber vielleicht doch noch was zu gewinnen. Ich glaube, es gibt einige Menschen, die ähnliche Schicksale erleiden, aber, solange das Kind noch bei ihnen ist, schweigen, um es nicht zu verlieren."

Was den Richter bewegt, die Pflegeeltern regelmäßig mit einem Strafgeld zu belegen, wenn diese Dennis vor unbegleiteten Umgängen schützen? "Ich weiß es nicht", sagt Munz. "Meine Hoffnung wäre, dass er wirklich davon überzeugt ist, zum Wohle des Kindes zu handeln und unsere Gesetze die Möglichkeit der Auferlegung von Strafgeld erfordern. Die Vorstellung, wie es einer Mutter gehen muss, die per Geldstrafe gezwungen ist, ihr Kind zu Menschen zu bringen, die dem Kind offensichtlichen Schaden zufügen, ist für mich kaum auszuhalten. Ich glaube, wenn ein Richter sich dieses Gefühl der Mutter einmal wirklich vorstellt, würde es keine Geldstrafen mehr geben."