Sophie Rosentreter und Nina Lupp werden heute mit dem Pulsus-Preis 2012 ausgezeichnet, weil sie sich für andere Menschen einsetzen.

Hamburg/Hetlingen. Neun Jahre lang begleitete Sophie Rosentreter ihre demenzkranke Großmutter Ilse, bis ihre geliebte "Omi" 2009 verstarb. Die 37-Jährige aus Hamburg-Winterhude erlebte, wie das normale Fernsehprogramm, vor dem die demenzkranken Menschen häufig geparkt werden, diese zunehmend frustriert: Sie kommen einfach nicht mehr mit. Die ehemalige Fernsehmoderatorin entwickelte ein eigenes Konzept und begann, Filme zu drehen - mit langsamer Kameraführung, fokussiert auf sinnliche Erfahrungen, wie zum Beispiel dem Besuch im Tierpark.

Vor drei Jahren gründete Rosentreter die Produktionsfirma "Ilses weite Welt". Sie kombiniert die Filme mit einem interaktiven Baukasten: Anleitungen zum Gespräch über das Gesehene, Figuren und Gegenstände aus dem Film, Fotokarten. "Ich möchte den Menschen Brücken zu ihren Gefühlen bauen", sagt sie.

Für ihr Engagement, anderen Menschen zu helfen, erhält Sophie Rosentreter gemeinsam mit fünf weiteren Preisträgern heute im Berliner Axel-Springer-Haus den Pulsus Award 2012 der Techniker Krankenkasse und der "Bild am Sonntag" in der Kategorie "Innovation des Jahres". Zum achten Mal werden bei einer feierlichen Gala die stillen Helden der Gesundheit geehrt.

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Einer dieser Helden ist auch Nina Lupp aus Hetlingen bei Pinneberg. Der 31. Januar 2006 hat das Leben der heute 49 Jahre alten Frau verändert. An jenem kalten, grauen Wintertag erhielt sie die Diagnose Brustkrebs. "Das war ein Schock", sagt die Frau mit den braunen, kurz geschnittenen Haaren. "Ich hatte große Angst, sterben zu müssen. Aber fast im gleichen Moment habe ich der Krankheit auch schon den Kampf angesagt."

Heute ist Nina Lupp gesund. Für ihren starken Willen, ihre Kreativität sowie ihr Engagement für Leidensgenossinnen wird sie heute Abend in der Kategorie "Kämpferin des Jahres" geehrt.

Nach Diagnose und Operation erhielt sie 2006 eine Chemotherapie. Nach der zweiten Chemo fielen ihr die damals noch langen braunen Haare aus. "Ich habe sie mit der Schere vorm Spiegel abgeschnitten", sagt Nina Lupp.

Um den kahlen Kopf zu verstecken, ließ sie sich eine Perücke fertigen. Doch damit war sie nicht glücklich. Das Haarteil war unbequem. "Auf Dauer drückt so eine Perücke", sagt sie, "Mützen sehen allerdings nach Chemo aus, und sie lassen dich erst recht krank wirken." Auch die Tücher gefielen ihr nicht. Sie fing an, Mützen zu nähen, die passten und mit denen sie sich wohlfühlte. "Die Menschen begegneten mir plötzlich anders. Nicht der Krebs war das Thema, sondern meine Mützen waren es."

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Genau dieses gute Gefühl will sie an Frauen, die sich einer Chemo- oder Strahlentherapie unterziehen müssen, weitergeben. Seit 2006 hat Nina Lupp mit ihrer Mitarbeiterin Martina Richter weit mehr als 3000 Feel-good-Mützen genäht. Mittlerweile führt sie Sommer-, Winter- und Nachtmützen im Sortiment, sogar die passenden Schals können Krebspatientinnen kaufen.

Die Geschichte der Mütze mit dem guten Gefühl ist eine persönliche und unternehmerische Erfolgsgeschichte. "Ich wollte eine Kopfbedeckung haben, die bequem ist und gut aussieht." Nina Lupp trug ihre Mützen täglich, auch im Wartezimmer in der Onkologie. Dort sprachen sie andere Patientinnen auf ihre Kopfbedeckungen an. In der Praxis legte sie daraufhin Flyer mit Bildern ihrer Mützen aus.

"Heute bin ich gesund, und ich fühle mich auch so", sagt sie. Nach Abschluss der Chemobehandlung wollte Nina Lupp weiter Mützen entwerfen und nähen. "Das Gefühl, Frauen zu helfen, die dasselbe durchgemacht haben wie ich, motiviert mich." So habe die Krebserkrankung wenigstens etwas Gutes gehabt. "Wenn Frauen mit einem Lächeln meine Nähwerkstatt verlassen, macht mich das glücklich."

Inzwischen können Krebspatientinnen sich eine Mütze aus mehr als 200 Modellen aussuchen. Auf Klick online bestellen lassen sich die Kopfbedeckungen aus dem Internet (zu sehen unter www.feelgood-muetzen.de ) aber nicht. "Mir ist der persönliche Kontakt zu den Frauen wichtig", sagt Nina Lupp. "Außerdem ist jede Mütze ein Einzelstück. Da ist der Kopfumfang wichtig, die Augenfarbe, oder ob jemand ein blasser oder dunkler Hauttyp ist."

Das Mützensystem funktioniert ähnlich wie ein Baukasten. Die Kundinnen suchen sich den Schnitt aus und wählen dann aus Stoffen und Farben. Bei der Herstellung ihrer Mützen könne sie ihre Kreativität ausleben, sagt Nina Lupp. "Außerdem kann ich Menschen helfen." Ihre eigene Biografie macht sie glaubhaft. Sie verkauft nicht einfach nur ihre Produkte, sie steht auch als Gesprächspartnerin zur Verfügung, erzählt ihren Kundinnen von ihren Erfahrungen mit der Krankheit. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Krankenkassen nicht nur die Kosten für eine Perücke übernehmen, sondern auch für andere Kopfbedeckungen. Oft lehnten die Kassen Anfragen mit der Begründung ab, Mützen und Tücher dienten der Verschönerung. "Das ist nicht richtig. Die Mützen können helfen, sich gut zu fühlen." 33 Euro kostet eine Mütze. Über den Pulsus Award freut sich Nina Lupp sehr. "Es ist eine schöne Anerkennung meiner Arbeit", sagt sie. "Ich bin gespannt auf die anderen Nominierten. Mich interessieren ihre Schicksale und Geschichten."