Spitzenkandidat Schmidt fällt als Fraktionschef durch. Breyer übernimmt Kommando

Kiel. Die Piraten sind jetzt offiziell im Kieler Landeshaus angekommen. Die sechs Politiker nahmen gestern ihre Mandate an, gründeten eine Fraktion - und ließen ihren Spitzenkandidaten Torge Schmidt durchfallen. Zum Fraktionsvorsitzenden wurde der Jurist Patrick Breyer gewählt. Torge Schmidt, der ebenfalls kandidiert hatte, musste sich stattdessen mit dem Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers begnügen.

"Wir haben vorher nichts abgekartet", versicherte Breyer. Der "Bürgerrechtler und Datenschützer" bügelte freundlich, aber konsequent alle Fragen nach Wohnort, Alter und seinem bisherigen Arbeitgeber ab. "Das ist privat und nicht von politischer Relevanz."

Kein Geheimnis machte er daraus, dass er sich im Kern mit seiner Grunddiät als Abgeordneter (7100 Euro brutto im Monat) begnügen will. Die Zulage für den Job als Fraktionschef (5680 Euro) will er zu einem "entscheidenden Teil" oder sogar ganz an das Land zurück überweisen oder an gemeinnützige Organisationen spenden.

Breyer kündigte im Gespräch mit dem Abendblatt zudem an, auf Dienstwagen und Chauffeur zu verzichten. Die Fraktion werde prüfen, ob man ein Auto leasen könne. Einen klaren Kurs fahren die Piraten auch bei weiteren Zulagen für Top-Politiker, etwa die Parlamentarischen Geschäftsführer, die zusätzlich gut 3000 Euro im Monat einstreichen. Breyer will darüber mit den anderen Fraktionen reden und diese Zulage notfalls über eine Organklage beim Landesverfassungsgericht zu Fall bringen. Die Piraten, die öffentlich tagten, hakten bei einigen Flaschen Club-Mate (koffeinhaltiges Kultgetränk in der Hackerszene) binnen einer halben Stunde ihre Fraktionssatzung, eine Finanzordnung sowie eine Wahl- und Geschäftsordnung ab.

Bei den Wahlen fiel auch der einzige Polit-Profi durch. Die Ex-Bundesvorsitzende der Grünen, Angelika Beer, unterlag bei der Wahl zum Vizefraktionschef. Auch Schmidt versuchte seine Niederlage wegzulächeln.

Offen blieb, ob Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten am 12. Juni Schützenhilfe von den Piraten erhält. Sie wollen zunächst den Koalitionsvertrag prüfen, über den SPD, Grüne und SSW hinter verschlossenen Türen verhandeln. Auf der Tagesordnung stehen heute Bildungsthemen und damit auch die Fragen, ob die Dänen-Ampel mehr Geld für die Kitas ausgeben und ob sie die erst 2011 angelaufenen G9-Gymnasien erhalten oder aber abwickeln will.