Die Stormarner Stadt ist die einzige im Land, die nicht auf Pump lebt. Bürgermeister und Kämmerer erzählen von ihrem Erfolgsrezept.

Bargteheide. Die finanzielle Lage Schleswig-Holsteins ist dramatisch. 27 Milliarden Euro Schulden haben sich allein beim Land aufgetürmt. Von den Zinsen für dieses Jahr könnte das Land 20 000 neue Lehrerstellen schaffen. Das Gegenmittel: die in der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse. Mit ihr soll das Defizit bis 2020 auf null zurückgeführt werden. Dafür müsste der Etat allerdings jedes Jahr um 132 Millionen Euro schrumpfen. Gleichzeitig haben auch die Kommunen Milliarden Schulden. Allein 2011 kamen Kredite über 700 Millionen Euro hinzu, so die Bilanz des Städtetages. Die Lage scheint aussichtslos. Lässt sich wirklich so konsequent sparen? Ja. Eine kleine Stadt im Kreis Stormarn macht es vor: Bargteheide - die einzige schuldenfreie Stadt Schleswig-Holsteins.

2001 lastete auf Bargteheide noch ein Defizit von acht Millionen Euro. Ein Menge, für eine Stadt von 15 700 Einwohnern. "Wie viel Geld ist damals den Banken zugeflossen! Wer ohne Not Schulden macht, handelt verantwortungslos", sagt Bargteheides Kämmerer Joachim Teschke. Jetzt liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bei null. Wie das?

+++ Die Bargteheider Haushalts-Tipps +++

"Jedenfalls nicht, wenn man nur versucht, das nächste Haushaltsjahr irgendwie zu retten", sagt der Hüter des Bargteheider Etats. "Wir haben mindestens fünf Jahre im Blick." Und noch eins sei wichtig: "Eine ehrliche Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik. Bei uns ist es selten, dass Baumaßnahmen plötzlich teurer werden", sagt Teschke mit zartem Anklang an die Elbphilharmonie. Teschke: "Oft werden Kosten vorher runtergerechnet, um eine Maßnahme durchsetzen zu können. So etwas macht man nicht."

Zum Sparkonzept gehört außerdem eine hohe Tilgung. "Ich habe immer dafür gesorgt, dass wir mindestens zwei Prozent tilgen. Nur so kommt man schnell von den Schulden runter. Es gibt dafür aber keine verpflichtende Regelung. Und das ist für manche meiner Kollegen ein Problem", sagt der Kämmerer und schildert den üblichen Ablauf: "Nach fünf Jahren ist der Schuldenberg durch die Tilgung schon kleiner geworden. Das heißt, man tilgt dann effektiv mehr als zwei Prozent. Da aber viele Kommunen regelmäßig umschulden und dann wieder bei einem Prozent neu anfangen, belasten die Projekte den Haushalt über 50, 60 Jahre." Bargteheide hat auch mit unpopulären Maßnahmen gespart. Teschke: "Wenn bei den Schulen Raummangel herrschte, haben wir zuerst versucht, den Leerstand in anderen Schulen als Ausgleich zu nutzen und eben nicht gleich neu zu bauen. Das hat nicht jedem gefallen."

Haushaltskonsolidierung bedeutet in Bargteheide aber nicht, dass nur gespart und nicht investiert wird: 4,5 Millionen Euro wird die Stadt in nächster Zeit für das Schaffen neuer Kita-Plätze ausgeben. Der Zuzug ist angesichts der guten Infrastruktur und der guten Lage enorm. Und es gibt weitere Großprojekte: ein neuer Bauhof, die Sanierung des Freibads und die Sanierung und Erweiterung der Gymnasien. "Das sind jedes Jahr acht bis zehn Millionen Euro", sagt Bürgermeister Henning Görtz.

Wie kann sich die Stadt das alles leisten, damit attraktiv für Neubürger und trotzdem schon seit 2007 schuldenfrei sein? "Dazu gehört auch Mut", sagt Bürgermeister Görtz und lüftet das Geheimrezept: "Wir haben mehrere Hundert Grundstücke erworben. Wir sprechen da von zweistelligen Millionenbeträgen. Da müssen sich schon alle einig sein, das Risiko einzugehen."

Die Bargteheider Politik und Verwaltung waren sich einig, gaben die Grundstücke nicht an Großinvestoren, die sich bedienen und den Hauptgewinn bei der Bebauung einstreichen. Bargteheide verkaufte die Grundstücke stattdessen selbst und investierte die Einnahmen wieder in die Stadt - in die Schule, in die Kitas.

"Der Schuldenstand, den wir vor Jahren hatten, resultierte auch aus dieser Bodenbevorratung. Aber sie hat sich gelohnt. Unser Sparkurs hatte Erfolg, weil wir uns mit dem Verkauf der Grundstücke das Geld mit Gewinn zurückgeholt haben", sagt der Kämmerer. Fazit: Die Haushaltskonsolidierung in Bargteheide fing paradoxerweise mit Geldausgeben an - ein bemerkenswertes Beispiel und ein Beitrag für die aktuelle Diskussion, wie Sparen und Wachstum ineinandergreifen können.

Der Abschluss für 2011 ergab einen Überschuss von 13 Millionen Euro. Ist damit die Schuldenfreiheit gesichert? "Nein", sagt der Kämmerer, "Wir müssen die geplünderte Rücklage auffüllen. Und wir hatten für 2013 schon eine Kreditaufnahme von 2,7 Millionen Euro eingeplant." Im Übrigen sei ein Geldsegen gefährlich. Teschke: "Er weckt Begehrlichkeiten. Aber der Überschuss stammt aus Einmaleffekten, Geld aus dem Konjunkturpaket und höheren Steuereinnahmen." Die Ausgaben für neue Kita-Plätze seien dagegen dauerhaft: eine Million Euro jedes Jahr. "Wir dürfen jetzt keine falschen Impulse setzen." Bei den Etatberatungen im Herbst wurde der von der SPD geforderte Kita-Neubau abgelehnt. Angesichts des guten Jahresabschlusses wäre er drin gewesen. Teschke: "Ja, aber erwartete Einnahmen sind noch keine. In Bargteheide werden Eventualitäten eben nicht sofort verfrühstückt."

Das Interview lesen Sie in unserer Regionalausgabe Stormarn und auf www.abendblatt.de/stormarn