A-20-Elbtunnel bei Glückstadt soll 300 Millionen Euro teurer werden - Zweifel an der Finanzierung

Drochtersen. Sie soll den neuen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven anbinden und strukturschwache Regionen in Niedersachsen wirtschaftlich aufblühen lassen - doch dem Weiterbau der Küstenautoahn A 20 von Schleswig-Holstein auf die andere Elbseite drohen immer neue Hürden. Jetzt gibt es erhebliche Zweifel, ob der dafür notwendige Elbtunnel zwischen Glückstadt und Drochtersen überhaupt noch bezahlbar ist. So soll der Tunnel nach einem Bericht des "Flensburger Tageblatts" 1,2 Milliarden und nicht mehr 900 Millionen Euro kosten.

Das Blatt beruft sich dazu auf eine interne Studie des Bundesverkehrsministeriums, das die Zahlen auf Anfrage des Abendblatts gestern nicht ausdrücklich dementierte. Es liege aber nur ein erster Entwurf und noch keine endgültige Fassung der sogenannten Eignungsabschätzung vor, so ein Ministeriumssprecher. Grundsätzlich halte der Bund an einer "abschnittsweisen Realisierung" fest.

Die Finanzierung sollen nach bisherigen Plänen möglichst private Investoren übernehmen und dafür Maut kassieren dürfen. Doch offenbar gibt es Zweifel, ob dieses Prinzip funktioniert: Dem Bericht zufolge kommt die Studie zu dem Schluss, dass eine solche Maut-Lösung wirtschaftlich nicht tragbar sei. Auch eine Art Pachtlösung sei fraglich, weil der Bund nach üblichen 30 Jahren Vertragslaufzeit am Ende mehr bezahlen müsse, als wenn er den Tunnel selbst baut und betreibt.

Innerhalb weniger Tage ist mit der Studie nun bereits die zweite negative Nachricht für den geplanten Tunnel im Umlauf, der eigentlich im Herbst schon auf niedersächsischer Seite mit einem Planfeststellungsbeschluss offiziell genehmigt sein soll. So hat die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein gerade angekündigt, vorerst die Autobahn von Bad Segeberg nur bis zur A 7 in Bad Bramstedt weiterzubauen und den Abschnitt bis zur Elbe zunächst aufzuschieben.

Ein Aus für die Elbquerung wäre ein riesiger Ansehensverlust für den niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU). Der hatte erst vor Wochenfrist im Abendblatt die Küstenautobahn als "das zukunftsweisende Infrastrukturprojekt schlechthin" bezeichnet. Klar ist auch: Ohne Elbquerung rechnet sich auf niedersächsischer Seite auch keine Küstenautobahn, die doch die strukturschwache Region zwischen den Metropolen Hamburg und Bremen erschließen soll. Die Küstenautobahn mit Elbquerung ist zudem entscheidend wichtig dafür, dass das Milliardenprojekt Tiefwasserhafen Wilhelmshaven überhaupt konkurrenzfähig wird für Lastwagentransporte Richtung Skandinavien.

Im direkt betroffenen Landkreis Stade führten die neuen Zweifel daher zu Entsetzen bei Politik und Wirtschaft. "Die Bestürzung ist riesengroß und kaum in Worte zu fassen", sagt Drochtersens Bürgermeister Hans-Wilhelm Bösch (CDU). Die niedersächsische Gemeinde befürchtet, dass zentrale Elemente ihrer Zukunftsplanung mit neuen Gewerbeflächen zunichte gemacht würden, sollte der Bau des Elbtunnels unmöglich werden.

Der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer in Stade, Jörg Orlemann, sieht dies ähnlich. "Sollte der Tunnel scheitern, würde dies nicht nur die Unterelbregion inklusive Schleswig-Holstein dauerhaft schwächen, sondern zu einer Verödung ganzer Landstriche führen. Das kann keiner wollen", sagt Orlemann. Dass der Elbtunnel bei Drochtersen, der ein Kernelement der Küstenautobahn ist, nicht gebaut wird, hält der IHK-Geschäftsführer für wenig wahrscheinlich. "Jeder wusste, dass das Projekt teuer wird, und jeder wusste, dass der Bund das nicht alleine finanzieren kann. Mehrere Konsortien haben ein Interesse an dem Tunnelbau geäußert, daran wird die Kostensteigerung sicherlich nicht sonderlich viel ändern", vermutet Orlemann. Wichtig sei nun, ein sauberes Finanzierungskonzept mit klaren Finanzrahmenbedingungen zu erarbeiten.

Ganz anderes indes die Einschätzung der Handelskammer in Hamburg, die seit Jahren eher für eine Elbquerung östlich von Hamburg bei Geesthacht plädiert. Eine Querung dort erfordere einen wesentlich geringeren finanziellen Aufwand und würde für Hamburg einen deutlich höheren Entlastungseffekt bringen, wie Hauptgeschäftsführer Jörg Schmidt-Trenz sagt. "Klar ist, dass wir dringend eine Elbquerung brauchen", so Schmidt-Trenz. Man müsse aber den Realitäten ins Auge sehen. Die westliche Querung sei nur durch private Investoren möglich. Schmidt-Trenz: "Die werden seit Jahren angekündigt, sind aber lange noch nicht in Sicht." Und dafür gebe es auch eine Ursache, sagt der Kammergeschäftsführer.

Die bisherige Planung sehe eben einen Verlauf vor, der viel zu weit weg von Hamburg die Elbe quert - und der Stadt daher kaum Entlastung verspreche. Eine Querung der Elbe näher an der Hansestadt würde hingegen von viel mehr Pkw- und Lkw-Fahrern genutzt werden, dadurch mehr Kunden bringen und die Finanzierung letztlich erleichtern.