Architektur

Gelungenes Ensemble – Wohnen im sanierten Denkmal

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Chan Sidki-Lundius
Der moderne Anbau setzt sich bewusst vom schön sanierten Altbau ab

Der moderne Anbau setzt sich bewusst vom schön sanierten Altbau ab

Foto: Roland Magunia

Ein altes Haus erhielt mit einem Anbau mehr Wohnfläche und eine sehr moderne Komponente. Sehr zur Freude der Denkmalschutzbehörde.

Hamburg.  Es war Liebe auf den ersten Blick. Als Felix und Anja Z. das kleine, unter Ensembleschutz denkmalgeschützte Haus aus den 1910er-Jahren im Nordosten Hamburgs fanden, mussten sie einfach den Kaufvertrag unterschreiben. „Wir waren von Anfang an von der tollen Fassade und den hübschen Fenstern begeistert. Innen haben uns vor allem die im Original erhaltenen Türen, der helle Kachelofen und die gemütliche Atmosphäre begeistert, auch wenn der allgemeine Zustand des Hauses nicht wirklich gut war“, berichtet Anja.

Vor dem Einzug im Jahr 2010 stand also zunächst eine denkmalgerechte Sanierung an – eine Menge Arbeit! Wände wurden versetzt, Fenster renoviert, außerdem mussten neue Bodenbeläge, ein neues Bad und eine Küche her. „Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt hat prima geklappt. Man hat uns viele hilfreiche Adressen gegeben, und auch mit der Förderung gab es keine Probleme“, bilanziert Felix Z..

Verkauf kam nicht in Frage

Im Laufe der Jahre wurde das nicht unterkellerte Haus mit seiner Wohnfläche von etwa 100 Quadratmetern für die dreiköpfige Familie dann allerdings doch zu klein. „Aufgrund der Schrägen und der vielen Wände mit Fenstern hat es einfach an Stauraum gefehlt“, erzählt der Hausherr. Ein Verkauf der Immobilie kam für das Paar aber nicht infrage, also musste eine neue Lösung her.

„Dem Wunsch nach einer Erweiterung des Gebäudes standen die baurechtlichen und denkmalrelevanten Auflagen entgegen. Deshalb galt es, einen Anbau zu realisieren, ohne das denkmalgeschützte Gebäude zu beeinträchtigen“, sagt Alexandra Schmitz, Geschäftsführerin asdfg Architekten.

Denkmal sollte optisch im Vordergrund stehen

Dem Denkmalschutzamt war es bei dem Bauvorhaben zum Beispiel wichtig, dass der Anbau klar als neuer Teil erkennbar ist und dass das Denkmal optisch im Vordergrund steht. Außerdem sollte er an der Stelle an das Denkmal anschließen, an der der Altbau bereits früher durch einen Anbau verändert worden war. Und schließlich sollte seine Höhe unter der Traufe des Altbaus bleiben. Den Bauherren wiederum war vor allem Licht und Transparenz mit viel Glas wichtig. Die Lösung: Ein dreiseitig verglaster Kubus, der leicht versetzt zum Haupthaus etwa einen Meter tief in die Erde abgesenkt wurde. Die Attika-Oberkante des neuen Anbaus blieb dadurch unterhalb der Traufe des alten Hauses; das vorhandene Schleppdach konnte durch diese Planung vollständig erhalten bleiben.

Der lichtdurchflutete und geschmackvoll eingerichtete Anbau hat eine Wohnfläche von etwa 60 Quadratmetern und etwa 3750 Euro pro Quadratmeter gekostet. Die Dachkonstruktion aus einer Ortbetondecke mit darauf angeordneter Dämmung ruht auf runden Stützen. Der Dachrand wurde mit Aluminiumblenden im selben Farbton der großen Aluminiumfenster ausgebildet. Der nur mit der eingefärbten Spachtelmasse Pandomo Loft von Hersteller Ardex beschichtete Zementestrich bildet zusammen mit den grauen Sichtbetonelementen ein stimmiges Gesamtbild.

Der Anbau ist heute der zentrale Lebensmittelpunkt der Familie. Hier befindet sich eine Küche mit Eichenholz-Fronten und einem drei Meter breiten Küchenblock von Hersteller Next 125. Davor steht ein Bigfoot-Esstisch der Firma e15 – hier können bis zu zwölf Personen auf Eames-Chairs Platz nehmen und gesellige Stunden genießen. Auf der anderen Seite des Anbaus laden eine gemütliche Sitzecke und ein Kamin zum Entspannen ein.

Rollos schützen vor ungewünschten Einblicken

Auch auf der breiten Ablage der mit der Erdoberfläche auf gleicher Höhe liegenden Fensterbrüstung gibt es ringsum viel zu entdecken: feine weiße Vasen, die der Hausherr sammelt, Bücher sowie eine Flötenspieler-Skulptur. Der gewünschte Abstellraum und ein zusätzliches Gäste-WC konnten im Anbau hinter der Küche ebenfalls noch realisiert werden. Und nein, wie auf dem Silbertablett präsentiert fühle er sich in dem Anbau nicht, meint der Hausherr. Sollten doch einmal neugierige Blicke stören oder das Sonnenlicht zu stark sein, „lassen wir einfach die Rollos herunter“.

Über Treppenstufen erreicht man vom Anbau aus den Flur und die anderen Räume im Altbau, die sich auf Erd- und Obergeschoss verteilen. Beim Übertritt in die andere „Wohnwelt“ wird sofort deutlich, dass die klare und reduzierte Formensprache des Anbaus mit seinen Beton- und Glasoberflächen in deutlichem Kontrast zu dem kleinteiligen Hauptgebäude mit seinen für einen Altbau typischen Stilelementen stehen. Dennoch – oder gerade deswegen – bilden beide ein gelungenes und harmonisches Ensemble. Die ehemalige Küche im Haupthaus verwandelte sich in ein modernes Bad, das ehemalige Gäste-WC zum Heizungsraum. Für eine wohnliche Atmosphäre sorgt das rustikale Eichenparkett. Spannender Kontrast: In den Wohn- und Schlafräumen finden sich viele alte Möbelstücke und Accessoires, die von Flohmärkten oder Antiquitätenhändlern stammen.

„Der Anbau hat uns trotz der Unterstützung durch unsere Architektin viele Nerven gekostet. Aber der Aufwand hat sich gelohnt, unsere individuellen Wünsche hätten nicht besser umgesetzt werden können“, freut sich Anja Z. Und man habe viel gelernt, fügt ihr Ehemann hinzu, der sehr viel Zeit auf der Baustelle verbracht hat. „Zum Beispiel, dass eine auf den ersten Blick einfache Konstruktion alles andere als einfach zu bauen ist.“

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