Möbel aus Metall verbreiten Glamour in Wohnräumen. Trotzdem ist Bodenhaftung garantiert

Besucher der Möbelmessen in Mailand und Köln bekamen dieses Jahr weniger Holz, dafür jede Menge Blech – Pardon, Metall zu sehen: Stühle, Tische, Regale und sogar Sofas aus Gusseisen, Bronze, Kupfer, Gold oder eben Blech befinden sich offenbar auf dem Vormarsch. Für psychologisch versierte Wohn-Experten ist die Sehnsucht der Menschen nach der ehernen Aura von Metall vor allem eine Reaktion auf die derzeit unsteten sozialen und politischen Verhältnisse.

„An vielen Orten der Welt kriselt es, alles ist in Bewegung und nichts scheint von Dauer. Hier schaffen zumindest im heimischen Umfeld solide und langlebige Möbel und Wohnaccessoires aus Metall ein Stück gefühlte Sicherheit und Beständigkeit“, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie. Ein weiterer Grund für den Trend ist nach Ansicht von Branchenkennern der Wunsch nach einer „optischen Aufwertung“ des Ambientes.

Mehr Glanz in der Hütte, lautet sozusagen das Motto. Entsprechend konstatiert die Hamburger Einrichtungsberaterin Reneé Charlotte Melms von RCM Interior Design aktuell eine „Renaissance der Buntmetalle“, vor allem bei Kleinmöbeln und Leuchten. „Messing und Kupfer wirken elegant und kostbar, gleichzeitig schaffen sie ein optisches Highlight im Raum.“

Dank neuer technologischer Verarbeitungsmöglichkeiten bietet der an sich kalte, sperrige Werkstoff für Designer ein großes Potenzial kreativer Entfaltungsmöglichkeiten. „Durch die Technik des Lasercuttings lässt sich Metall mittlerweile sehr präzise bearbeiten, das ermöglicht eine bisher nie dagewesene Vielfalt an Designs“, bestätigt der italienische Star-Designer Piero Lissoni dem Abendblatt.

Das wohl konsequenteste Bekenntnis zum Material kommt von italienischen Manufakturen. Das Mailänder Unternehmen Opinion Ciatti etwa bietet sämtliche Möbel und Wohnaccessoires ihrer diesjährigen Kollektion in verschiedenen Veredelungen an. Den puristischen Tisch namens „Il Tavolo“ oder die helmartige Lampe „Il Re“ etwa gibt es in verschiedenen Lackierungen, darunter Gold, Bronze, Kupfer oder Silber. Sie können sich so in jedes Farbkonzept des jeweiligen Raumes integrieren. Design-Experte und Innenarchitekt Heiko Hoops von Gärtner Möbel zeigt sich insbesondere von zwei Kreationen beeindruckt: „Stuhl Mammamia, den es auch in der Punkversion mit Nieten an der Rückenlehne gibt, lässt sich ebenso gut vererben wie das drehbare, mit dem Designpreis Compasso d`Oro ausgezeichnete Bücherregal Ptolomeo.“

Designer Maurizio Peregalli hat sich mit seiner Kollektion „Zeus“ hingegen ganz dem Stahl verschrieben. Wie um die archaische Wucht des Materials zu dämpfen, kommen die Designs seiner Tische, Betten, Lampen oder Stummen Diener fast schwebend daher – in zarter Ästhetik und schnörkelloser Formensprache.

Auch das dänische Designhaus Gubi trägt nacktes Metall zu Markte. Seit 2013 bringt das Unternehmen die Neuedition der Sitzmöbel-Klassiker „Nagasaki Chair“ und „Nagasaki“-Barhocker vom Ungarn Mathieu Matégot (1910–2001) aus perforierter Blechfolie heraus. Liebhaber mussten zuvor auf Auktionen um die wenigen noch vorhandenen Originale bieten. Um die ätherisch wirkenden Konstruktionen herstellen zu können, hatte Matégot nach dem Zweiten Weltkrieg eine Maschine entwickelt, mit der er Blechfolie in jede gewünschte Form biegen, plissieren und zu gewebeähnlichen Strukturen perforieren konnte. Ihren Status als Design-Ikonen verdanken sie neben ihrem innovativen Design vor allem dieser handwerklichen Neuerung.

Ein weiterer Kandidat für eine Neuauflage könnte angesichts der steigenden Nachfrage nach Metall-Ikonen auch das exzentrische Sessel-Modell namens „Europa“ sein, das Designer Ron Arad für den Hersteller Draenert entworfen hat. „Die limitierte Auflage kann derzeit nur noch über Wiederverkäufe oder Auktionen erworben werden“, sagt Sprecherin Anette Pfeifer.

Schirme aus Kupfer lassen Licht wie Feuer aussehen

Die nach wie vor größte Akzeptanz findet Metall im Bereich von Leuchten und Kleinmöbeln. Vor allem bei ersteren ist das Angebot an Formen und Legierungen so groß wie selten zuvor. „Designer wie Ingo Maurer, Tobias Grau, Tom Dixon oder Belux setzen verschiedene Metalle und Legierungen ein, um die Wirkung des Lichts auch mit Hilfe der neuen LED-Technik neu und stimmungsvoll zu inszenieren. Schirme aus Kupfer etwa lassen es aussehen wie Feuer und sorgen für eine besonders warme, lebendige Atmosphäre im Raum“, sagt Ursula Geismann.

Wohl auch deshalb bietet etwa die Firma Kartell ihren Bestseller, die barock-verspielte Tischlampe „Bourgie“ von Ferruccio Laviani, in Gold und in Kupfer an.

Im Bereich der Kleinmöbel reüssieren diese Saison vor allem die Habibi-Beistelltische aus Kupfer und Messing von E15. „Die hochglänzende Buntmetall-Optik macht diese Tische zu echten Highlights“, sagt Reneé Charlotte Melms.

Wer bei Regalen und Schränken auf Nummer sicher gehen will, kann auch hier auf bewährte Klassiker zurückgreifen, etwa das Regalsystem 606 von Vitsoe aus dem Jahr 1960 oder das „verspannte Regal“ von Wolfgang Laubersheimer. Auffälliger ist der Schrank „Trailer Flag“ aus lackiertem Eisen in der Optik eines Übersee-Containers von Kare – ein Hingucker, der keine optische Ablenkung duldet.

Gängig ist Metall in Kombination mit warmem Holz. Das Prinzip funktioniert bei der Gestaltung von Küchen ebenso wie beispielsweise im Speisezimmer. Ein Klassiker von robuster Eleganz etwa ist der Esstisch aus schwarz lackiertem Eisen-Gestell in antiker Kupferoptik mit einer Platte aus recyceltem Teakholz von Kare. Auch bei den Sitzmöbeln ist die Vielfalt an Stahlrohr-Designs in Kombination mit Holz und Leder weit verbreitet. Bestes Beispiel sind der Thonet Freischwinger 43 oder die Serie „Les Copains“ von Brühl. Hier spannt sich ein Flechtwerk aus Seilen zwischen Rahmen aus Messing, Chrom, Kupfer oder Roheisen.

Ob pur oder in diesen Kombinationen: Metall braucht die richtige Inszenierung. „Ein Raum mit wuchtigem Stahlrohrtisch und entsprechenden Stühlen, dazu ein Wandregal im gleichen Stil passt in Altbauten mit Stuck ebenso wie in eine loftartige Umgebung, Hauptsache, die Möbel haben viel Raum um sich“, sagt Reneé Melms. Vor allem der Kontrast zu warmen, naturbelassenen Materialien schaffe eine spannungsreiche, dabei sinnliche und stilvolle Wohnatmosphäre.