Auch im Norden sieht man immer häufiger weiße Pfannen. Für ihre Wahl spricht, dass sich Räume weniger aufheizen

Dachziegel sind rot, braun oder schwarz, so die landläufige Meinung, vielleicht gibt es sie auch mal in mediterranem Hellrot. Aber in Weiß? André Erdmann und seine Lebenspartnerin Anja Schleede sind von dieser Variante angetan: „Wir empfinden ein weißes Dach als sehr schön. Das ganze Haus wird hell, warum dann nicht auch das Dach?“ Ihr neues Zuhause, ein Wohn- und Geschäftshaus in Strande bei Kiel, umgeben von grünen Wiesen mit Blick auf die Ostsee, macht sich schon als Rohbau gut mit dieser Optik.

„Viele Bekannte hatten Bedenken, dass die Pfannen zu schnell verschmutzen, aber das hat sich nicht bestätigt“, sagt Erdmann. „Die liegen ja schon drei Monate auf dem Dach, da müsste normalerweise schon Schmutz zu sehen sein.“ Das hat einen Grund: Die Tonziegel wurden mit einer speziellen Glasur versehen, die aus Metalloxiden und Siliziumdioxid als Grundstoff besteht. Die glasartige Beschichtung kann man in diversen Farben erzeugen.

„Die Nachfrage nach diesen speziellen Pfannen hat in den letzten Jahren zugenommen“, sagt Peter Grothaus, Fertigungsplaner und technischer Berater der Dachkeramik Meyer-Holsen. „Die Glasur verleiht den Ziegeln eine besondere Brillanz.“ Die meisten Pfannen würden allerdings nach Süddeutschland geliefert. Auch der Export nach Skandinavien, Polen und Russland laufe gut. Im Trend seien dort Blau und Grün. Weiß und Gelb würden dagegen eher selten für das Dach nachgefragt.

Glasiert kann sich auf den Ziegeln kein Schmutz ansiedeln

Dank der Glasurschicht seien die Ziegel optimal gegen Algen und Moose geschützt, denn auf der glatten Oberfläche bleibe nicht viel Schmutz hängen, so Manfred Gunkel vom Fachberater im Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks. Durch die Hartglasur nähmen die Pfannen zudem viel weniger Feuchtigkeit auf als offenporige Tonpfannen. So könne bei Frost auch nichts abplatzen. Die Reinigung könne wie bei einer Glasoberfläche erfolgen, zum Beispiel mit einem Hochdruckreiniger. Allerdings sollte man nicht von unten gegen die Ziegel spritzen. Dann komme mehr Wasser unter die Überdeckung, als gut sei.

Der Vorteil speziell heller Ziegel liegt aber nicht nur in der andersartigen Optik. „Weil viel Licht und damit Wärmestrahlung reflektiert wird, können sie die Temperaturbelastung der sogenannten Unterspannbahnen verringern“, sagt Gunkel. Das sei die Folienschicht unter der Dachdeckung, die dazu diene, Flugschnee oder Regen, der vom Wind unter die Pfannen geblasen wird, abzuleiten. Die niedrigeren Temperaturen wirkten sich günstig auf deren Alterungsprozess aus. Außerdem könnten helle Ziegel dafür sorgen, dass sich Dachgeschosswohnungen oder ganze Gebäude nicht so sehr aufheizten wie unter einer dunklen Eindeckung.

Ein Argument, das besonders in warmen Gegenden punktet. Laut Untersuchungen des US National Center for Climate Research könnte der Sommer in Städten erträglicher sein, wenn alle Hausdächer einen weißen Anstrich erhielten beziehungsweise hell gedeckt seien. Hintergrund: Städte erhitzen sich im Sommer im Schnitt ein bis drei Grad stärker als ländliche Regionen. Das liegt daran, dass Straßen und Dächer in vielen Regionen der Welt mit dunklen Baustoffen abgedichtet sind. Bis zu zwei Grad könne die Temperatur durch helle Dachlandschaften gesenkt werden – ein positiver Beitrag zum Klimaschutz, denn dadurch reduziert sich auch die Energie zur Kühlung von Gebäuden. In Kalifornien haben diese Erkenntnisse dazu geführt, dass bereits seit 2005 alle Neubauten und renovierte Gebäude sogenannte „cool roofs“ erhalten: Dächer aus hellen, reflektierenden Materialien oder die mit heller Farbe gestrichen wurden.

Damit der Effekt zum Tragen kommt, sollte die Dachfläche allerdings nicht mit schwarzen Solarthermie- und Fotovoltaik-Modulen belegt werden. André Erdmann hat dafür deshalb den Flachdach-Anbau vorgesehen. Die Optik der weiß glasierten Dachziegel hat allerdings ihren Preis. „Der Quadratmeter normale Ziegel liegt bei circa acht Euro, für glasierte zahlt man rund 40 Euro. Von der Farbe ist das allerdings unabhängig“, sagt Peter Grothaus.

Der Anteil der Hochglanzpfannen in exotischen Farben wie Weiß, Gelb, Grün oder Blau steigt übrigens langsam. „Mittlerweile machen sie schon rund sieben Prozent unseres Gesamtumsatzes aus“, sagt der Fertigungsplaner des Ziegelherstellers Meyer-Holsen. Doch nicht überall ist die Kreativität bei der Dachabdeckung gewünscht. Oft verhindern der Bebauungsplan oder eine Gestaltungsordnung, dass man bei der Ziegelwahl variieren kann.

Für das neue Domizil der Erdmanns war das allerdings kein Problem. „Hier in der Gegend wechseln sich rote und braune Pfannen mit Reetdächern ab. Da ist ein weißes Dach eigentlich kein Problem“, sagt André Erdmann. Alteingesessene Nachbarn haben allerdings noch ihre Schwierigkeiten mit den weißen Pfannen. „So etwas kommt mir nicht aufs Dach“, ist ein häufiger Kommentar. „Dabei kennen wir doch alle weiße Dächer zur Genüge“, wundert sich Erdmann. „Im Winter hat jeder ein weißes Dach und findet es eigentlich ganz schön.“