Ein Test offenbart hohe Risiken beim Einsatz von Dämmverbundsystemen zur Hausisolation. Die Branche ist aufgeschreckt.

In Hamburg sind Putzfassaden ohnehin umstritten, verschwinden hinter ihnen doch viele Klinkerfassaden. Nun sind diese Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) - meist handelt es sich um Dämmplatten aus preiswertem Polystyrol oder Styropor - noch mehr ins Visier der Kritiker geraten. Denn sie fangen schneller Feuer als bislang dargestellt und schädigen sogar die Umwelt. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls, wer den Bericht des NDR mit dem Titel "Wahnsinn Wärmedämmung" vor Kurzem im Fernsehen gesehen hat. Dort werden darüber hinaus feuchte und zum Teil verschimmelte Putzfassaden gezeigt, in die Spechte auch im trockenen Zustand gern Löcher klopfen.

Vor allem aber der Ausgang des Feuertests durch die Materialprüfanstalt Braunschweig, von den Reportern in Auftrag gegeben, erschreckt. Bei diesem Test wurde ein Zimmerbrand in einem Mehrfamilienhaus mit einer 16 Zentimeter dicken Dämmschicht aus Polystyrol simuliert. Obwohl nach Angaben des Herstellers das Material gut 20 Minuten den Flammen hätte standhalten müssen, brannte die Fassade bereits nach acht Minuten lichterloh, der Versuch musste abgebrochen werden. Unter der Fassade hatte sich Feuer ausgebreitet, geschmolzenes Polystyrol tropfte brennend auf den Boden, giftige Rauchgase füllten die Prüfhalle - trotz leistungsstarker Abluftanlage.

Aufgeschreckt von dem Bericht, teilt der Fachverband WDVS in einer Sonderinformation mit, dass es eine "absolute Nulltoleranz" gegenüber dem Thema Brand gebe und dass "die WDVS und ihre Bestandteile einer dauerhaften Eigen- und Fremdüberwachung durch unabhängige Prüfinstitute" unterliegen. Betont wird, dass alle zugelassenen WDVS die Anforderungen der Baubehörden erfüllten.

Das Deutsche Institut für Bautechnik, mit Zulassungsverfahren für WDV-Systeme befasst, weist indessen in seiner Stellungnahme darauf hin, dass "der Versuchsaufbau (des Tests, die Red.) nicht dem für Zulassungsprüfungen geforderten Aufbau (...) entspricht" und dass "durch diese schachtförmige Versuchsanordnung die thermische Exposition des WDV-Systems deutlich erhöht" wird. Nachfragen bei Wohnungsverbänden und Experten zeigen: Einige fühlen sich bestätigt in ihrer Skepsis gegenüber Putzfassaden, andere wiederum, wie der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), verweisen darauf, dass es immer auf eine fachgerechte Ausführung ankomme, die entsprechend überwacht werden müsste. Und dann gibt es Menschen wie Volker Claussen, Abteilungsleiter Technik vom Bauverein der Elbgemeinden (BVE), die unumwunden zugeben, dass "uns bislang diese Bandbreite der Risiken nicht bewusst war". Und dass man jetzt "klare Antworten von den Herstellern auf Bedenken" erwarte. Der BVE dämmt etwa 70 bis 100 Einheiten pro Jahr und investiert dafür circa zwei bis 2,4 Millionen Euro. "Dort, wo WDVS angewendet wurden, konnten wir allerdings die erwartete Reduzierung an Heizenergie um 45 Prozent erreichen", sagt Claussen.

Der Grundeigentümerverband Hamburg zeigt sich allerdings ebenso wie der Verband Privater Bauherren skeptisch. "Unsere Eigentümer berichten von feuchten Wänden hinter den Dämmplatten, wann immer offenbar nicht fachmännisch gearbeitet wurde. Außerdem monieren sie grünliche, hässliche Fassaden nach wenigen Jahren", sagt Verbandschef Heinrich Stüven. Letzteres Problem könne nur behoben werden, wenn man den Farbputz mit Fungiziden und Algiziden versetze.

"Ich bin für Klimaschutz, aber ob das der richtige Weg ist, bezweifle ich", sagt Stüven und nimmt damit Bezug auf den Fernsehbericht, in dem auf Studien der Technischen Hochschule in Rapperswil (Schweiz) verwiesen wird. Danach werden diese Biozide nach und nach aus dem Putz ausgewaschen und belasten - just zum Zeitpunkt, wo die Gewährleistung abgelaufen ist - das Grundwasser. "Ich rate daher, zunächst nur das Dach zu dämmen und die Heizung zu erneuern. Das amortisiert sich schneller." Eine Vorgehensweise, die bei Diplom-Architekt Lars Beckmannshagen von der Zebau GmbH, keinen Zuspruch findet. "Insbesondere bei Häusern aus ungünstigen Bauzeiten, die nach dem Krieg schnell hochgezogen worden sind, muss man sehen, dass sie gar nicht oder wenig gedämmt worden sind." Gleichzeitig gebe es keine Standardlösungen fürs Dämmen. "Zusammen mit einem Fachmann muss man genau überlegen, welche technische Lösung und welches Produkt die richtige Antwort ist auf die Probleme, die mit dem jeweiligen Gebäude einhergehen." Orientierung gebe hier der Hamburger Energiepass, der 625 Euro kostet, zu 40 Prozent aber mit einem Zuschuss subventioniert werde.