Der Handel reagiert auf Sonderwünsche von Kunden. Wer seinen persönlichen Stil noch sucht, bekommt fachkundige Hilfe vom Experten.

Vielen Menschen genügt es nicht mehr, ihr Heim lediglich als repräsentative Wohnlandschaft zu gestalten. Die Komposition aus Mobiliar, Bodenbelag, Wanddekor und Beleuchtung soll möglichst viele Facetten ihres eigenen Wesens spiegeln. Wie innen, so außen, lautet das Motto. Sichtbar wird dies auch in Trendstudien und Umfragen führender Branchenexperten über das veränderte Konsumverhalten der vergangenen Jahre. Vor diesem Hintergrund stellen sich immer mehr Möbelhersteller auf Sonderwünsche ihrer Kunden ein.

"Durch eine eigenwillige, sehr persönliche Wohnkultur schärfen wir unser Profil und geben ein für alle sichtbares Statement über unsere Ansichten, Werte und Interessen ab", sagt Gabriele Schöning, Marketing-Chefin der Garant-Möbel-Gruppe. Mit mehr als 3200 angeschlossenen Möbelhändlern und Einkaufs-Kontrakten mit Herstellern aller Wohnbereiche ist der Garant-Verband ein Seismograf für die Entwicklungen in der Möbel-Branche. "Selbst bei großen Möbelfabrikanten mit Massenproduktion ist es oft kein Problem mehr, einen bestimmten Tisch, eine Schrankwand oder Polstergarnitur in anderen Abmessungen, Materialien oder Farben zu ordern", sagt Gabriele Schöning.

Das gilt noch mehr für den hochwertigen Bereich: Edle Polstermöbel von Brühl, COR oder de Sede gibt es auf Wunsch in Sondermaßen oder mit individuellen Bezügen. Bei de Sede können sich Kunden ihr Sofa-Leder sogar in ihrem speziellen Wunsch-Ton färben lassen. "Der Trend zur Individualisierung führt zu verändertem Kaufverhalten und damit zwangsweise zur Anpassung des Produkts", sagt Volker Hartmann von Scala Wohnen. So hat Franz-Josef Schulte von Schulte Design mit seinem Tischmodell TwinTable den Wunsch nach Individualität im Design gleich vorweggenommen: "Der Tisch lässt sich mit jedem beliebigen Motiv bedrucken, vergrößern und in der Höhe verstellen."

Markus Cramer, Geschäftsführer von Cramer Möbel in Elmshorn, spricht angesichts dieser quasi erzwungenen Kundenorientierung vieler Hersteller von einer Vernunftentscheidung: "Obwohl die Sonderanfertigungen wegen des hohen Produktionsaufwands kaum kostendeckend sind, spielen die Firmen mit. Sie wollen serviceorientiert arbeiten und Kaufinteressenten halten."

Verstärkt wird der Druck durch die Konkurrenz im Internet. Beispielsweise können sich Kunden bereits auf www.woonio.de ihre Möbel online nach dem Baukastenprinzip entwerfen und zuschicken lassen.

Die zunehmende Individualisierung spiegelt sich auch noch an etwas anderem wider. Immer weniger Verbraucher fühlen sich an die Standard-Wohnprogramme der Marken-Hersteller gebunden. "Je nach Empfinden kombinieren sie zum Beispiel Esstisch und Stühle oder Polstermöbel verschiedener Anbieter", sagt Frank Anger-Lindemann vom Möbelhaus Gärtner. Eine noch persönlichere Note als modifizierte Standard-Modelle setzen eigene Möbel-Designs. Realisiert werden sie von Tischlern oder kreativen Handwerkern wie Wolfgang Becker. Seine Entwürfe, darunter Schränke mit wild züngelnden, flammenähnlichen Umrandungen oder Stehpulte mit filigranen Ziersäulen, vereinen klassizistische Elemente mit anthroposophisch-organischer Formensprache. "Viele Kunden fassen angesichts meiner Entwürfe erst den Mut zu eigenen Kreationen", hat Becker beobachtet.

Bevor der Kunde jedoch seine eigenen Wohn-Wünsche oder Möbel-Entwürfe an den Hersteller kommunizieren kann, muss er sie erst einmal erkennen und visualisieren. Dieser Prozess erfordert in der Regel den Beistand psychologisch geschulter Innenarchitekten oder Einrichtungsberater. "Viele Menschen wissen nur, dass sie etwas verändern möchten, können ihre Vorstellungen aber schwer konkretisieren und finden irgendwie keinen Anfang", sagt Markus Cramer.

Hier hat sich ein mehrstufiges Vorgehen bewährt, dem die meisten Einrichtungs-Profis im Großen und Ganzen folgen. Am Anfang steht der Ortstermin. Hier erfassen die Berater den Einrichtungsstil, die Atmosphäre, die Optimierungspotenziale und räumlichen Möglichkeiten ihrer Kunden. Durch Fragen oder anhand standardisierter Checklisten tasten sie sich an verborgene Sehnsüchte, Wohnvorlieben und die dahinter liegende Persönlichkeitsstruktur heran. Auf dieser Grundlage erfolgt eine interne Kategorisierung in Wohntypen wie "romantisch-verspielt", "sachlich-funktional", "exotisch" oder "wertorientiert-konservativ". Dazu Innendesignerin Illa Graw: "Beim Abgleich mit der Einrichtung zeigt sich dann oft, wie gravierend die tatsächlichen Bedürfnisse mit dem Ambiente der Bewohner kollidieren."

Anschließend erarbeiten die Wohnberater detaillierte Vorschläge für die Raumgestaltung. Sie empfehlen Produkte, Materialien, Stoffe und Farben für Bezüge, Teppiche und die Fensterdekoration. Um das Zusammenspiel der Komponenten im Raum sinnlich greifbar zu machen, erstellen sie bei größeren Projekten ein sogenanntes "Mood-Board", auf dem Bilder und Materialproben von allen angedachten Planungsideen zu sehen sind.

Bei der anschließenden Präsentation vor dem Kunden folgt die Detailarbeit, zu diesem Zeitpunkt wird häufig die Entscheidung für eine Sonderanfertigung gefällt. Gabriele Schöning prophezeit: "Die Kunden werden in Zukunft noch kreativer. Wer einen Sonderwunsch realisieren will, weiß: er kann ihn ohne großen Aufpreis mithilfe der Industrie auch realisieren."

Das Buch "Global Style" bietet Inspirationen aus aller Welt. Callwey Verlag, ISBN 978-3-7667-1806-8, 59,95 Euro