Für das Wohnen in einem Wasserturm sind zahlreiche Hürden zu nehmen. Statik und Denkmalschutzauflagen bestimmen den Um- und Ausbau.

Wohnen in einem 36 Meter hohen Turm, wie geht das, wenn jedes Zimmer in einem anderen Stockwerk liegt und das "Wohnhaus" keine geraden Wände hat? Dass es nicht nur eine runde Sache ist, sondern zudem hochmodern und zugleich gemütlich sein kann, beweist Familie Harksen in ihrem umgebauten Wasserturm in Bad Segeberg - Wahrzeichen der Stadt, das auf dem 80 Meter hohen Kalkberg thront.

"In unserer Wohn-Halle haben wir schon herrliche Feste erlebt", sagt Marlies Harksen. Direkt hinter der imposanten und wuchtigen Eingangstür zum Turm ist die Halle mit der hölzernen Empore und der gelben Decke wohnlich eingerichtet. Letztere ist fünf Meter hoch. Ein Stück der Originaltreppe führt zu der kleinen Empore, die Platz für einen Schlafgast bietet. Die weiteren Wohnräume liegen alle übereinander. Das Sieben-Zimmer-Domizil hat drei Bäder und fünf Toiletten. In der Wohnküche auf der vierten Ebene trifft sich die Familie zum Kochen, Essen und Klönen. Hier leben die Papageien Jacob und Loretta, und auch Dackeldame Julchen und Berner Sennenhündin Cira sind immer mit dabei.

Vom Wohnzimmer im fünften Stock hat man eine hervorragende Aussicht. Der Blick reicht zur Felsenbühne, auf der jedes Jahr im Sommer die Karl-May-Festspiele stattfinden, und zum Segeberger See. 36 Fenster sorgen selbst in der dunklen Jahreszeit für viel Licht. "Von hier sieht man ein Gewitter oder eine Regenwand schon aus der Ferne auf Segeberg zukommen", sagt Wolfgang Harksen. Außerdem, fügt er schmunzelnd hinzu, stehe man in diesem Raum wirklich über den Dingen. Allerdings sei das Putzen der Fenster, die sich nach innen öffnen lassen, schon recht mühselig, gibt der Hausherr zu.

Das Ehepaar erwarb den Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Backsteinzylinder, der bis 1977 der Stadt als Wasserspeicher diente, bei einer Zwangsversteigerung 1997 für 93 000 Mark. Damals gab es kein Treppenhaus und keinen Aufzug, nur den 200 Kubikmeter fassenden eisernen Wassertank, der in 17 Meter Höhe eingebaut war. "Alles musste neu gemacht werden. Es war ein verwahrlostes Gebäude", sagt Wolfgang Harksen. Er ließ den Turm entkernen, den Tank, der sich über vier Stockwerke erstreckte, ausbauen und die Statik neu berechnen. Die Bauzeit betrug 13 Monate. Es wurden allein 3,8 Kilometer Heizungsleitungen sowie 350 Lichtstrahler verbaut. Das Treppenhaus wurde bis zum siebten Stock hoch gemauert. Zusätzlich gibt es einen seilhydraulischen Aufzug, der bis zu vier Personen befördern kann und vor allem nach dem Einzug häufig benutzt wurde. Denn zunächst sei das Wohnen auf sieben Ebenen ungewohnt gewesen, berichten die Eheleute. "Zumal wenn in der Halle unten meine Brille liegt, ich mich aber im Wohnzimmer im fünften Stock gerade in den Sessel gesetzt habe", sagt Wolfgang Harksen. Solche Situationen sind nach 13 Jahren Leben im Turm selten geworden. Geblieben ist das beruhigende Gefühl, wie in einer Burg zu leben. Bei einer Wanddicke von bis zu einem Meter ist das kein Wunder.

"Der Segeberger Turm bietet mit jedem Stockwerk eine sehr originelle Wohnlösung", sagt der Wasserturm-Experte Jens U. Schmidt, zugleich Autor mehrerer Bücher. Gerade ist sein Buch "Wassertürme in Bremen und Hamburg" im Regia-Verlag erschienen. Das Hauptproblem für das Wohnen in einem Turm stellen laut Schmidt, der den Turm von Familie Harksen als einen der am aufwendigsten aus- und umgebauten Türme Norddeutschlands bezeichnet, die Auflagen von Denkmal- und Brandschutz dar. So durften Harksens außen nichts verändern, und auch ein Balkon war deshalb nicht möglich. Zudem sei der Ausbau eines Wasserturms sehr aufwendig und kostenintensiv, sagt Schmidt. Weshalb die Käufer zumeist aus der Baubranche stammen. Auch Wolfgang Harksen ist Immobilien- und Bankexperte. Er investierte rund eine Million Euro in seinen Turm, der sogar über eine sendergesteuerte Fußbodenheizung sowie eine Druckerhöhungsanlage verfügt. Damit steht in jeder Ebene heißes Wasser mit gleichem Druck zur Verfügung - auch im Hobbyraum auf Ebene sieben, der als Wasch-"Keller" dient.

Eine ähnliche Größe wie der Segeberger Turm - im Unterschied zu diesem jedoch ohne Fahrstuhl - hat der Bergedorfer Wasserturm. Als dieser 1983 zum Verkauf stand, erwarb ihn der damals 24 Jahre alte Kaufmann Hans Detlefsen für 40 000 Mark. Die Auflagen des Denkmalschutzes konnten Detlefsen, der eine möglichst orignalgetreue Erhaltung des 30 Meter hohen Bauwerks anstrebte, nicht schrecken. So ließ er den Keller tiefer legen, um eine ausreichende Stehhöhe für Bad, Waschküche und Sauna zu schaffen. Im Eingangsbereich befindet sich nach dem Ausbau die große Küche mit Essplatz. Darüber liegt ein hoher Raum mit ebenfalls hoch angebrachten Fenstern.

Über eine offene Treppe, die laut Schmidt die Nutzung der Räume einschränkt, gelangt man in den Wohnraum sowie in das darüber liegende Zimmer. Der Wasserbehälter blieb im Bergedorfer Turm vollständig erhalten. Er enthält heute eine Etage mit zwei halbkreisförmigen Räumen. Erst kürzlich wurde das Turmhäuschen mit Zugang zu dem Aussichtsbalkon wieder hergestellt. Finanzmakler Detlefsen investierte rund eine Million Mark in den Turm-Ausbau.

Als regelrechten Prachtbau, vor allem wegen seiner Grundfläche und traumhaften Innenarchitektur, bezeichnet Schmidt den 50 Meter hohen Lokstedter Wasserturm, den ein Zahnarzt im Ruhestand bewohnt. Hier blieb der Wasserbehälter ebenfalls im Turm. Schmidt: "Die Bewohner sitzen quasi darauf, denn das Wohnzimmer wurde auf den Behälter gebaut."

Entscheidend für die spätere Wohnqualität seien außer der Höhe des Turms dessen Zuschnitt, die Statik sowie die Auflagen des Denkmalschutzes, sagt Schmidt. Für die spezielle Statik von Wassertürmen gilt: Sie ist ursprünglich auf ein hohes Gewicht von bis zu 500 Tonnen Wasser ausgerichtet. Die Mauern sind mit bis zu einem Meter Durchmesser unglaublich massiv. "Es kann also sein, dass die Statik den Druck braucht" sagt Schmidt. "Und eine Wohnung wiegt niemals 500 Tonnen." Zudem sei der Wasserbehälter häufig ein tragendes Element.

Um den Sternschanzenturm habe es wegen der Maßgabe, sein Innenleben zu erhalten, einen 40 Jahre dauernden Kampf gegeben. Nach weiteren zähen Verhandlungen blieb lediglich die Hülle erhalten. Heute beherbergt der frühere Wasserturm das Mövenpick Hotel Hamburg mit 226 Zimmern. Manchmal bestimmt auch die Frage nach Fluchtwegen weitere Baupläne. So ist ein Café im Planetarium nicht möglich, da die dafür geforderten Wege fehlen.

Familie Harksen, die sich mit ihrem Wohnturm einen Traum auf 250 Quadratmetern Wohnfläche erfüllte, möchte nun, da die Söhne erwachsen sind, kleiner wohnen. Deshalb hat Günther & Günther Immobilien den Verkauf des Wohnturms übernommen. Der Preis beträgt 845 000 Euro.