Wohnen im Denkmal: Im Von-Nyegaard-Stift in Altona leben rund 50 Frauen zwischen 60 und 100 Jahren in den sanierten und barrierefreien Wohnungen.

Die Offizierswitwe Hedwig Magdalena Henriette von Nyegaard war eine soziale und äußerst engagierte Frau, die ihrer Zeit weit voraus war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gründete sie eine Stiftung. Einen großen Teil ihres ererbten Vermögens investierte die Wohltäterin in den Bau eines "Damenstifts" an der Max-Brauer-Allee in Altona, das sich zu jener Zeit an der nördlichen Peripherie Hamburgs befand. In dem Stift sollten Witwen und alleinstehende Töchter von Offizieren, Beamten und Predigern, die in eher bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebten, ein neues, standesgemäßes Zuhause finden.

Auch heute noch leben alleinstehende Frauen im Alter zwischen 60 und 100 Jahren im Von-Nyegaard-Stift. Margret Mehnert ist 2001 eingezogen. Wie nahezu alle ihrer derzeit etwa 50 Nachbarinnen lebt sie in einer von Grund auf sanierten, barrierefreien und sehr hübschen, hellen Zwei-Zimmer-Wohnung (ca. 48 m²), die mit einer Kaltmiete von 5,60 Euro pro Quadratmeter obendrein noch bezahlbar ist. "Es ist für mich ein großes Glück, dass ich in diesem geschichtsträchtigen Schmuckstück leben darf ", sagt die gebürtige Hamburgerin. Auch die Bewohnerin Bergit Falter weiß das historische Ambiente des Hauses, zwischen 1899 und 1901 im Stil der Deutschen Renaissance vom Berliner Architektenbüro Kühn & Baumgarten erbaut, zu schätzen. Das zweigeschossige Gebäudeensemble steht unter Denkmalschutz.

"Ich wollte schon immer in einem Altbau wohnen. Als ich das Stift besichtigt habe, war es Liebe auf den ersten Blick", erinnert sich die Stiftsdame, die seit 2003 an der Max-Brauer-Allee lebt. Zusammen mit so vielen Frauen zu leben, birgt für sie viele Vorteile. "Wir haben eine tolle Nachbarschaft und Gemeinschaft, wir sind füreinander da. Allein muss hier niemand sein. Es sei denn, das ist ausdrücklich so gewünscht", sagt Bergit Falter.

Gelegenheiten, um sich gegenseitig besser kennenzulernen, bieten beispielsweise die regelmäßigen Mieterinnen-Versammlungen, gemeinsame Arbeitseinsätze in dem Garten mit altem Baumbestand, Gartenfeste oder Frühstückstreffen. Der Kinoabend, der einmal pro Monat ansteht, findet in der Gemeinschaftswohnung statt. "Dort können auch mal Gäste übernachten oder Feste in größerem Rahmen stattfinden", sagt Margret Mehnert.

Auf das Stiftungsgelände gelangt man durch ein großes, imposantes Tor, das unter den gemauerten Portalflanken zwei seitliche Durchgänge hat. Bis auf die ursprünglichen Sprossenfenster und Klappläden ist das gesamte Gebäude samt seiner Einfassung bis heute nahezu unverändert geblieben. Noch immer kennzeichnen Putzfassaden, Krüppelwalmdächer und zahlreiche Erker und Türmchen den schlossartigen, dreiflügeligen Gebäudekomplex.

Derzeit läuft unter Federführung des Architekten Johann-Christian Kottmeier der dritte Sanierungsabschnitt. Ein Flügel des Stifts steht aufgrund der laufenden Bauarbeiten momentan leer. In den Dachgeschossen entstehen neue Wohnungen.

Für die bereits erfolgte Sanierung des Stifts gab es in diesem Jahr eine Auszeichnung. In der offiziellen Begründung für die Verleihung des "Preises für Denkmalpflege 2011" hob die Jury lobend hervor, wie erfreut sie sei, "dass diese stattliche Baugruppe mit Reminiszenzen aus der preußischen Zeit Altonas verantwortliche Träger gefunden hat, die mit ihrem Architekten den notwendigen Fachverstand besitzen, um dieses Juwel sozialen Bauens der Jahrhundertwende wieder angemessen zu präsentieren".

Margret Mehnert und Bergit Falter fänden es schön, wenn mehr vergleichbare Wohngemeinschaften oder -projekte für Frauen im Norden existieren würden. "Es gibt in unserer Gesellschaft so viele Frauen, die allein leben und damit häufig Probleme haben."

Mit Spannung sehen sie der Feier entgegen, die für 2012 anlässlich des 200. Geburtstags von Hedwig Magdalena Henriette von Nyegaard geplant ist. Den Einzug der ersten Frauen in das Stift konnte diese übrigens nicht mehr miterleben, sie verstarb 1898. Ihre Grabstätte an der Seite ihres Mannes Christian Wilhelm steht hingegen, wie das Stift, heute unter Denkmalschutz.