Den Mietern in der Haynstraße ging es nie nur um Wohnen im Denkmal. Sie setzten sich auch für seinen Erhalt ein und pflegen Inneres wie Äußeres.

Erker mit Kupferverkleidung, filigrane Eisengitterbalkone, kunstvolle Holzfenster, ornamentale und figürliche Reliefs sowie ein mit Marmor, Säulen, Spiegel und Stuck reich verziertes Treppenhaus: Wer abseits der Hauptstraßen im Hamburger Stadtteil Eppendorf unterwegs ist, kennt das 1910 von Johann Georg Hupach erbaute Haus an der Ecke Haynstraße/Hegestraße bestimmt. Es wirkt wie ein Kunstwerk. Nicht zuletzt, weil es eines der wenigen Häuser in Eppendorf ist, die in ihrem Äußeren wie Inneren in weiten Teilen im Originalzustand noch zu sehen sind.

Laut Denkmalschutzamt ist der große, fünfgeschossige Gebäudekomplex ein "außergewöhnliches Beispiel Hamburger Jugendstilarchitektur". Das hochherrschaftliche, von drei Seiten begehbare Haus wurde 2009 unter Denkmalschutz gestellt und als herausragendes Einzeldenkmal gewürdigt. Ein Jahr später erhielt es von der Landesinnung der Hamburger Gebäudereiniger und vom Denkmalschutzamt eine lobende Anerkennung für seine prächtige, teilweise mit Sandstein verblendete Fassade. Diese wurde 2007/2008 getreu den Vorgaben des Denkmalschutzamtes aufwendig saniert. Die Sandsteinpartien am Mittelrisalit (Fachbegriff für Vorsprung in der Fassade) wurden beispielsweise freigelegt und repariert, Ziersäulen nachgebaut, Gesimse am Dachüberstand und an den Balkonunterseiten erneuert, fehlende Ziegel mit historischen Motiven ergänzt und Balkongeländer neu verzinkt.

In einer der Wohnungen wuchs der Musiker Jan Delay auf

Während der Sanierungsarbeiten kamen etliche Details zum Vorschein, die früher kaum aufgefallen waren: etwa die Kupferornamente an den Erkern, Stuckelemente an den Seitenflügeln und Sandsteinschilde im dritten Geschoss. "Die Sanierung ist fast ausschließlich aus den eigenen Mitteln der Bewohner erfolgt, Zuschüsse wurden uns von der Stadt verweigert", erzählt Reinhard Barth, die "gute Seele" des Hauses. Der promovierte Historiker lebt seit 1970 in einer der beiden Erdgeschosswohnungen.

Dass er in dem Haus seine Heimat finden würde, hätte der gebürtige Blankeneser nie gedacht: Ursprünglich wollte er nur neun Monate bleiben, danach sollte das Haus dem Erdboden gleichgemacht werden. Doch dann wehrten sich Barth und seine Mitbewohner gegen das von ihnen angeprangerte "Spekulantentum" und es gelang ihnen, einen Mietvertrag auszuhandeln, der es dem Vermieter noch heute nahezu unmöglich macht, Mitgliedern der Mietergemeinschaft Haynstraße/Hegestraße zu kündigen. "Wir haben dieses Haus im Laufe der Jahre zu einem bundesweiten Vorzeigeprojekt für gemeinschaftliches Wohnen gemacht und Spekulanten das Fürchten gelehrt", sagt Barth.

Mittlerweile kennt er jeden Winkel des Hauses, hat die Baupläne und seine Geschichte genauestens studiert und bereits mehrere Bücher über das Gebäude geschrieben. "Ich habe schon von Anfang an gespürt, dass ich in einem ganz besonderen Haus wohne. Insofern halte ich es für angebracht, dass es jetzt einen festen Platz unter den Hamburger Denkmälern hat", sagt Barth. "Da das Haus auch uns Bewohner geprägt hat und wir hier seit vielen Jahren gemeinsam für politische, soziale und ökologische Ziele kämpfen, könnte man schon fast sagen: Mit dem Haus sind wir zusammen zum Denkmal geworden."

Das Gebäudeensemble an der Haynstraße beherbergte ursprünglich zehn sehr große Wohneinheiten mit bis zu zehn Zimmern und eine Dachgeschosswohnung für den Hausmeister. Mitte der 1930er-Jahre wurde das Haus umgebaut. Seitdem umfasst es 22 Wohnungen, die zwischen zwei und viereinhalb Zimmer haben und zwischen 80 und 180 m² groß sind. In einer dieser Wohnungen ist der bekannte Hamburger Musiker Jan Delay aufgewachsen.

Die Bewohner müssen der Würde des Denkmals erst mal gerecht werden

Die Mieter in den oberen Geschossen kommen in den Genuss, einen wunderschönen Aufzug nutzen zu können. Er steckt in einem Metallgehäuse und verfügt über eine Jugendstiltür. Die Kabine ist innen holzverkleidet und bietet sogar zwei Sitzgelegenheiten. Der Aufzug tut nach wie vor zuverlässig seinen Dienst. Nicht minder eindrucksvoll ist das bunt verglaste Oberlicht mit Tierkreiszeichen, das zur natürlichen Beleuchtung des großzügigen Treppenhauses beiträgt. "Ich finde, dieses Haus verströmt sehr viel Würde. Als Bewohner muss man dieser Würde erst einmal gerecht werden", sagt Barth.

Auch in den Wohnungen sind zahlreiche schöne Ausstattungsdetails zu sehen. Besonders stolz ist Barth über die kassettierte Schiebetür, mit der sich sein Wohnbereich in zwei Teile separieren lässt. Wenn er auf seiner Terrasse sitzt, dann kann er die Menschen draußen auf der Straße sehen. "Sie gehen oder fahren um unser Haus herum und gucken sich die Augen aus dem Kopf", sagt Barth. "Das zeigt: Unser Haus ist viel mehr als ein Denkmal, es ist ein Wahrzeichen, das aus unserem Stadtteil nicht mehr wegzudenken ist."